In dieser Interviewserie stelle ich 7 Fragen an Führungskräfte, die sprichwörtlich eine Verbindung „nach oben“ pflegen. Es handelt sich hierbei um Personen aus der Kirche und Wirtschaft, die Leadership wohlmöglich noch einmal aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Ich möchte herausfinden, was „Spiritual Leadership“ für sie bedeutet und inwiefern ihr Glaube an Gott ihre Führungstätigkeiten beeinflusst. Darf ich also vorstellen? Paul Sidelnikow, Gründer und Geschäftsführer von eCommerce Werkstatt und vielen weiteren Gesellschaften. Er wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…

 

Paul Sidelnikow

Paul Sidelnikow
Gründer und Geschäftsführer von eCommerce Werkstatt u.a.

Paul Sidelnikow ist seit über 20 Jahren Führungskraft in Wirtschaft, Kirche und Gesellschaft. Menschenorientiert, situationsbezogen und pragmatisch führt er aktuell seine Unternehmen und seine Teams und liebt es, wenn Organisationen und Menschen ihr Potential voll ausschöpfen und so ein Segen für ihr Umfeld sind.

 

1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich als Führungskraft positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?

Das Hirtenprinzip hat mich schon vor Jahren als Führungskraft stark geprägt. Die einfachen Methoden, die im Buch beschrieben werden, halfen mir ein schnell wachsendes Team fair und transparent zu führen.

Als zweites Buch möchte ich Die Fünf Versuchungen des CEOs erwähnen. Ein Buch, das mir wichtige Stolpersteine von Spitzenführungskräften aufgezeigt hat und dabei geholfen hat, rechtzeitig schmerzhafte Entscheidungen zu treffen und mich selbst nicht zum Hindernis für die Entwicklung meiner Unternehmen zu machen.

Außerdem ist The Maxwell Leadership Bible für jede spirituelle Führungskraft ein Must-read.

 

2. Woran glaubst du bzw. wie würdest du deine Weltanschauung beschreiben?

Ich glaube an einen dreieinigen Gott. Dieser Gott offenbart sich den Menschen durch den Heiligen Geist und weist die Welt auf Jesus Christus hin. Dieser wiederum zeigt uns wer Gott, der Vater ist. Christus, die zweite Person der Dreieinigkeit Gottes ist Mensch geworden und ist das Sichtbarwerden des Wesens und Charakters Gottes gegenüber uns Menschen. Jesus Christus lebte vor ca. 2.000 Jahren leibhaftig auf dieser Welt und begegnet uns heute vor allem in anderen Menschen und in uns selbst. Jesus Christus kam und kommt, um uns zu zeigen, dass es einen liebenden Vater gibt, der einen Plan mit dieser Welt hat. Gott, der Vater möchte mit uns eine Beziehung haben und uns in unsere Bestimmung und Beziehungen hineinbringen.

Ich glaube an einen Gott der immer „mit uns ist“ und uns nicht verlässt, auch wenn wir im Negativem festsitzen. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass immer alles gut wird und unserer Umstände sich zum Besten entwickeln, aber jeder, der an Gott festhält, erlebt eine lebensverändernde Gottesbegegnung!

Ansonsten ist für mich das Apostolischen Glaubensbekenntnis die Basis meines Glaubens.

 

3. Ist Glaube für dich eine Privatsache? Inwiefern beeinflusst deine Spiritualität deine Rolle als Führungskraft?

Glaube ist für mich zunächst eine Privatsache und ich bin dankbar, dass ich in einem Land lebe, wo „jeder nach seiner Fasson“ selig werden kann (Zitat Friedrich II). Aber mein Leben mit Jesus und durch Jesus beeinflusst hoffentlich öfters mein Handeln und meine Beziehungen zu meinem Team und meinen Kunden. Die Lehren und Handlungen Jesu sind für mich Maßstab für mein Tun. Daran darf mein Umfeld mich messen.

 

4. Wie gehst du mit Menschen um, die andere Glaubensüberzeugungen haben? Wo fühlst du dich mit deinem Glauben manchmal missverstanden und was würdest du dir in diesem Zusammenhang von deinem Umfeld wünschen?

Also zuerst einmal muss man jeden stehen lassen können. Jesus hat die Menschen auch nicht überfallen, sondern konnte jeden stehen lassen und fast immer sind die Menschen zu ihm gekommen und wollten mehr von ihm erfahren. Das ist auch meine Devise, wenn Leute an meinem Leben sehen, dass es mehr gibt oder es ein Leben mit Gott gibt, dann sollen sie mich ansprechen oder wenn es passt, dann erzähle ich auch meine persönliche Geschichte mit Jesus.

Aber was mich schon ärgert ist, dass wir aktuell in einem Zeitalter der Dauer-Aufregung leben. Jeder der anders fühlt, denkt und redet als der Mainstream wird angegriffen und beinahe vernichtet. Menschen die Traditionen und Liturgie lieben werden als gestrig und als Gegner abgestempelt und mit irgendwelchen schrägen Fundamentalisten gleichgesetzt. Ich wünsche mir, dass mein Gegenüber, wenn es mich sprechen hört, mich nicht sofort in eine Schublade ablegt, sondern nachfragt und versucht mich zu verstehen. Denn sehr oft entstehen Missverständnisse, weil man zwar die gleichen Worte sagt, aber Unterschiedliches meint.

 

5. Sowohl in der Kirche als auch in der Wirtschaft ist Leadership notwendig. Im kirchlichen Kontext gilt es nur häufiger auch ehrenamtliche Mitarbeiter:innen zu leiten. Welchen Unterschied macht es aus deiner Perspektive, ob man als Führungskraft mit Angestellten oder Ehrenamtlichen zusammenarbeitet?

Ich liebe es, als erfolgreicher Unternehmer in der Kirche aus meiner „Unternehmer-Blase“ hinauszutreten und Menschen aus allen verschiedenen sozialen und kulturellen Hintergründen zu begegnen. Sie als Schwestern und Brüder zu sehen, als spirituelle Familie, in der man sich nicht die Besten rauspicken muss, sondern möglichst mit allen in Frieden das Leben teilen und Zeit verbringen kann. Es hilft mir ungemein Mensch zu bleiben und die Nöte und Ängste aber auch Freude und den Frieden der „normalen“ Menschen mitzuerleben.

In der Kirche hat man außerdem mit Freiwilligen zu tun, daher laufen die Prozesse ganz anders ab als in Unternehmen und das muss man berücksichtigen. Die Herzen der Menschen müssen gewonnen werden und nicht das Portemonnaie, auch wenn es in Unternehmen ja auch mittlerweile um viel mehr als um Geld geht und sich vieles von dem, was ich in der Kirche erlebe, in meiner Art zu führen widerspiegelt. Als Stichwort sei hier zum Beispiel „Servant Leadership“ genannt.

 

6. Was bedeutet es für dich konkret „geistlich zu führen“? Kannst du mir hier vielleicht von einem persönlichen Beispiel erzählen, was im Zusammenhang mit deiner Führungsposition stand?

Geistlich führen bedeutet für mich der Wahrheit ins Auge zu schauen, besonnen täglich vom Ende her zu denken und wertschätzend und mitfühlend Entscheidungen zu treffen. Das bewirkt, dass Menschen sich in der Regel bemühen, ihr Bestes zu geben, daraus resultiert dann finanzieller Erfolg.

Praktisch bedeutet es auch nicht den vordergründigen Erfolg oder Misserfolg als Maßstab zu haben, sondern die Haltung beim Tun im Fokus zu behalten. Wenn ein Mitarbeiter sein Bestes gegeben hat und versagt hat, also nicht erfolgreich war, den Arbeitsprozess trotzdem wertzuschätzen und zu schauen, wie der Mitarbeiter seinen Stärken entsprechend, das nächste Mal erfolgreicher werden kann.
Oder in Kundenbeziehungen Wiedergutmachung zu leisten, so habe ich einmal einem Kunden Geld erstattet, welches er durch eine Empfehlung von mir verloren hatte. Ich hatte schon vor dem Aussprechen der Empfehlung ein schlechtes Gefühl gehabt, habe aber aufgrund von Ängsten abgelehnt zu werden, falsch gehandelt und war somit verantwortlich.

 

7. Welche biblische Geschichte, Figur oder Aussage fasziniert dich im Hinblick auf das Thema Führung und könnte für Führungskräfte (ganz egal, ob sie sich selbst als gläubig betrachten oder nicht) ein wertvoller Impuls für ihren Führungsalltag sein?

Also ich bin ein Fan von Nehemia. Dieser jüdische Mundschenk eines fremden Königs, fern von seiner Heimat, war selbstlos und nicht auf sich selbst fixiert, sondern sah die Not seines Volkes und der Hauptstadt Jerusalem und entwickelte eine Vision für den Wiederaufbau der Mauern. Taktisch geschickt bereite er sich vor und handelte nach den Regeln der Kultur in der er lebte und gewann das Herz des Königs, der sein Investor und Förderer wurde. Anschließend machte er einen genauen Fahrplan, vermittelte die Vision an das Volk, gewann ihre Herzen, schaffte eine Zugehörigkeit und richtete Werte auf. Und gleichzeitig war er hellwach und bereitet sich und sein Team auf die äußeren Widerstände und Feinde vor, er passte die Arbeitsprozesse an die externen Bedrohungen an.

 

Bonusfrage: Religion wird gern als „Opium für’s Volk“ verstanden. Doch die Mitgliedszahlen der staatlichen Kirchen gehen von Jahr zu Jahr zurück. Gleichzeitig hört man auch immer wieder Geschichten von kirchlichen Leitern, die ihr Amt missbrauchen oder gar in Missbrauch verwickelt sind. Das Christentum scheint in Europa auf einem Abstellgleis zu stehen. Stimmt dies so aus deiner Sicht überhaupt? Hat die Kirche wohlmöglich ein Führungsproblem?

Oh nein, so eine Frage zu Schluss! Ich glaube, dass die staatlichen und viele anderen Kirchen größtenteils nicht mehr für sich in Anspruch nehmen dürfen, die Repräsentanten Gottes auf der Erde zu sein. Und das betrifft sowohl die Führung als auch die Mitglieder. Viele Kirchen sind zu Freizeit- und Vereinsorten geworden und sind größtenteils nicht mehr Orte, wo Menschen Gott begegnen, und Menschen in Wort und Tat geliebt werden. Es sind zu viele egoistische und böse Haltungen hineingekommen. Es geht mehr um politische und finanzielle Interessen und um Kontrolle als um die Einfachheit des Glaubens und den praktischen Dienst. Aber JESUS hat es uns ganz anders vorgelebt. Er sagte sinngemäß: „Wer unter Euch der Größte sein will, der soll für alle zum Diener werden.“ Und dann wusch er seinen Jüngern die Füße und machte sich somit selbst zum Diener!

Leider wird Gott selten so repräsentiert, daher sind immer wieder Reformationen und Erweckungen notwendig, damit die Kirche wieder auf Jesu Weg zurückkehrt.

 

One Reply to “7 Fragen über Spiritual Leadership an Paul Sidelnikow”

  1. Ein Vorgesetzter mit Herz, Verstand und Empathie. Wie schön wäre Arbeit für viele Menschen und Arbeitnehmer, mit so einem Big Boss mit einem Big Herzen. Schade das nicht alle Arbeitgeber, so sind wie Paul Sidelnikow, denn dann würde kein Arbeitnehmer auf jede Minute,jede viertel Stunde oder halbe Stunde, die man länger arbeitet schauen, denn wer Wertschätzung für seine Arbeit erhält, der gibt, gerne doppelt soviel zurück. Jeder profitiert davon natürlich auch finanziell aber mit Menschlichkeit.

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