Eigentlich ist der Begriff „Female Leadership“ in meinen Augen irreführend, weil Führung immer grundlegenden Prinzipien folgt, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Dennoch hatten bzw. teils auch haben es Frauen nicht immer leicht, eine Führungsrolle einzunehmen. Daher soll diese Interviewserie weibliche Führungskräfte besonders ehren und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Perspektive zum Thema Führung weiterzugeben. Darf ich also vorstellen? Eva Rausch von Traubenberg, Head of Audience Development beim Kölner Stadt-Anzeiger. Sie wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…

 

Eva Rausch von Traubenberg

Eva Rausch von Traubenberg
Head of Audience Development beim Kölner Stadt-Anzeiger

Eva Rausch von Traubenberg ist Head of Audience Development beim Kölner Stadt-Anzeiger Medien und verantwortet seit September 2021 den strategischen Auf- und Ausbau der organischen Reichweite über bspw. Suchmaschinen, Social Media und Newsletter von express.de (Boulevard) und ksta.de (Nachrichten). Sie arbeitet im DCC (Digital Competence Center), das als agile Organisationseinheit fungiert. Hier werden die Disziplinen Data, Subscription, AD, Product, Publishing Technology und Revenue Streams abgebildet, die in bereichsübergreifenden Teams eng mit Redaktion und Vermarktung zusammenarbeitet. Zuvor war sie jahrelang als SEO, u.a. bei der FAZ & XING, mit fachlicher Führungsverantwortung tätig. Außerdem ist Eva seit Jahren als Freelancerin im strategischen Online Marketing aktiv und hielt einige Jahre eine Lehrbeauftragung der Hochschule Darmstadt inne, bei der sie Social Media Marketing & SEO lehrte.

 

1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich als Führungskraft positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?

Seitdem ich denken kann, beschäftige ich mich mit Psychologie im großen Ganzen – kognitive und emotionale Entwicklung, Verhalten, Persönlichkeitsmerkmale, usw. Dieses Interesse hilft mir nicht nur als Führungskraft, sondern natürlich generell im Umgang mit meinem jeweiligen Gegenüber. Ein paar Bücher, die mich geprägt haben, sind: Schnelles Denken, langsames Denken (Daniel Kahnemann), Road Less Traveled (M. Scott Peck) und Welcome to your Brain (Sandra Aamodt & Samuel Wang).

 

2. Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben und welche Erwartungen impliziert dies auf deine Mitarbeiter:innen?

Als Führungskraft sehe ich es als meine essenzielle Aufgabe, meinem Team mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und dafür zu sorgen, dass ihnen der jeweils individuelle Rahmen gegeben wird, ihre Aufgaben bestmöglich umsetzen zu können. Dieser Rahmen umfasst Fachliches wie auch Menschliches oder Arbeitsorganisatorisches. Darüber hinaus sehe ich mich als Sparringspartner und Mentor für mein Team und natürlich ebenfalls als diejenige, die auch mal unliebsame Entscheidungen treffen kann und/oder muss. Meine Anforderungen an mich in meiner Führungsrolle möchte ich mit folgenden Schlagworten umreißen, um den Fließtext nicht zu sprengen: Vision & Strategie, Klarheit & Transparenz, Integrität & Loyalität, Inspiration & Motivation, Wertschätzung & Vertrauen, Expertise & Fokus. Zusammenfassend passt mein Führungsstil wohl am ehesten zur Begrifflichkeit „partizipativer Führungsstil“. Dies impliziert, dass sich mein Team aktiv einbringt und in jeglicher Hinsicht mitgestaltet, gern kritisch hinterfragt und die individuelle fachliche Expertise ausbaut.

 

3. Als Frau zu führen ist nicht immer leicht. Man hört immer wieder auch von Geschichten, wo sich Männer gegenüber Frauen absolut daneben benehmen. Kannst du uns etwas in deine persönliche Geschichte mit reinnehmen und beschreiben, wie du (trotzdessen) zu einer Führungskraft geworden bist? Welche Barrieren musstest du überwinden bzw. wer oder was hat dir dabei geholfen?

In meiner bisherigen Karriere hatte ich bis zu dieser Anstellung ausschließlich männliche Vorgesetzte. Diese haben sich durch die Bank weg mir (als Frau) gegenüber immer einwandfrei verhalten, mich fachlich und persönlich geschätzt und gefördert. Allerdings war es mir auch seit Beginn meiner Karriere sehr wichtig, darauf zu schauen für welche(n) Menschen ich arbeite und dass sich, soweit man das im professionellen Kontext abtasten kann, meine Werte & Prinzipien zur Haltung Menschen gegenüber, kollegialen Zusammenarbeit und Mitarbeiterförderung mit denen meiner Vorgesetzten decken. Für mich war es überraschend zu sehen, dass es in der Arbeitswelt durchaus Menschen gibt, die einen Unterschied zwischen den Geschlechtern machen. Nenne mich naiv, aber für mich war das vorher nie ein Thema. Das kann im Übrigen auch ab und an hilfreich sein – wenig Angst und eine gewisse Selbstverständlichkeit. Ich denke, dass ich dadurch einige (männlich geprägte) politische Spielchen einfach im Sand verlaufen lassen und vielleicht auch den ein oder anderen verdutzt zurückgelassen habe. Diese Unterschiede in der geschlechtsspezifischen Wahrnehmung habe ich persönlich erst auf Fachkonferenzen zu spüren bekommen (die vor 15 Jahren vornehmlich männerdominiert waren) – von plumpen Anmachen über „oh, die Frau erzählt ja sogar fachlich sinnvolle Dinge“ war da einiges dabei. Glücklicherweise konnte ich solche Gegebenheiten aber immer recht gut an mir abperlen lassen und bin meinen Weg unabhängig dessen weitergegangen. Getreu dem Motto: jetzt erst recht.

 

4. Seit ein paar Jahren wird verstärkt über das Thema „Frauenquote“ in Führungspositionen diskutiert. Wie stehst du zu diesem Thema? Hilft unserer Gesellschaft die Einführung einer Einstellungsquote oder siehst du die Gefahr, dass sich weibliche Führungskräfte damit eher wie „Quotenfrauen“ fühlen?

Meines Erachtens löst die Frauenquote nicht die Ursache, weswegen weniger Frauen als Männer in Führungspositionen anzutreffen sind – die Aspekte sind sehr vielschichtig (bspw. Vereinbarkeit Beruf & Kinder, Teilzeitmodelle auch als „Standard“ für Männer, Rollenverständnis in der breiten Gesellschaft). Genau aufgrund dieser Komplexität maße ich mir aber sicherlich nicht an, eine bessere Idee zu haben… Der Symptombehandlung einer verbindlichen Einstellungsquote für Frauen stehe ich aber eher skeptisch gegenüber. Jobvergaben sollten völlig unabhängig von Geschlechtsidentifikation, Alter oder dem ethischen Hintergrund gefällt werden – der Mensch, der fachlich und persönlich am besten für die Position geeignet ist, sollte den Job bekommen. Das ist eine Frage der grundsätzlichen Haltung.

 

5. Was möchtest du weiblichen Young Potentials gern als Rat mitgeben, die sich für eine Führungsposition interessieren?

Sprecht Unstimmigkeiten (jedweder Natur) direkt und klar an, fokussiert euch auf Fachlichkeit und Kollegialität, baut eure Resilienz und Empathie aus, lernt die situativen Motivationen eurer Kollegen zu verstehen. Werdet euch eurer Stärken und ausbaufähigen Potentiale (😉) bewusst und reflektiert euer sowie das Verhalten eurer Kolleg:innen. Solltet ihr feststellen euch in einer toxischen Unternehmenskultur wiederzufinden, wirkt mit o.g. Eigenschaften positiv auf eine Änderung hin oder lasst die berufliche Station hinter euch, verfangt euch nicht in einer Schockstarre – sucht ein Unternehmen, Team und Vorgesetzte, die euch sehen und fördern.

 

6. Was können hingegen männliche Führungskräfte oder auch gleichgestellte Kollegen tun, um Frauen dabei zu helfen, ihr Potenzial zu entfalten und zu kompetenten Führungskräften zu werden?

Ganz einfach und doch so schwer in der Umsetzung für manche: Menschen sollten sich auf Augenhöhe, mit Wertschätzung und mit Respekt begegnen. Unabhängig der gewählten Geschlechtsidentifikation.

 

7. Seit ein paar Jahren wird versucht, über gendergerechte Sprache für mehr Gleichberechtigung zu sorgen. Gleichzeitig gibt es hierzu aber auch kritische Stimmen und möglicherweise auch einen Bogen, den man überspannen kann. Wie ist deine Position zu dem Thema und inwiefern fühlst du dich durch eine gendergerechte Kommunikation mehr angesprochen?

Puh, ich fühlte mich auch vor der gendergerechten Sprache angesprochen und inkludiert. Allerdings formt Sprache auch die Gesellschaft und hier gibt es sicherlich und nachgewiesenen Aufholbedarf bzgl. Gleichberechtigung aller Individuen. Den Vorstoß finde ich gut, allerdings sind wir hier wieder beim Thema der Symptombehandlung und ich bin mir unsicher, inwiefern und ob die Grundhaltung einiger Menschen im Sinne der Gleichberechtigung dadurch positiv beeinflusst werden kann.

 

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