Eigentlich ist der Begriff „Female Leadership“ in meinen Augen irreführend, weil Führung immer grundlegenden Prinzipien folgt, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Dennoch hatten bzw. teils auch haben es Frauen nicht immer leicht, eine Führungsrolle einzunehmen. Daher soll diese Interviewserie weibliche Führungskräfte besonders ehren und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Perspektive zum Thema Führung weiterzugeben. Darf ich also vorstellen? Irina Hey, Team Lead Content Marketing bei AutoScout24. Sie wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…

 

Irina Hey

Irina Hey
Team Lead Content Marketing bei AutoScout24

Irina Hey ist eine erfahrene Managerin mit über zehn Jahren Erfahrung in der Teamleitung in Bereichen Digitales Marketing, Content Marketing und SEO. Sie hat bereits für mehrere SaaS-Anbieter gearbeitet, unter anderem bei Ryte GmbH, wo sie das Unternehmen von Anfang an im Bereich Marketing begleitet hat. Irina ist aktuell bei AutoScout24 für ein 5-köpfiges Content-Marketing-Team verantwortlich. AutoScout24 ist europaweit der größte Online-Automarkt. Der Marktplatz bietet Privatkunden, Händlern und Herstellern seit 1998 eine umfassende Plattform für den Autohandel im Internet. Zu Beginn ihrer Karriere leitete Irina ein Team von Werkstudenten bei der Immowelt AG. Bei Ryte war sie als Head of Marketing für ein 12-köpfiges internationales Marketingteam verantwortlich und betreute auch mehrere Marketingteams als externe Beraterin. Seitdem ist Mitarbeiterverantwortung und eine Führungsposition für Irina unverzichtbar.

 

1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich als Führungskraft positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?

Ich würde sagen, ein Buch, das mich als Führungskraft sehr beeinflusst hat, ist Mit der Endurance ins ewige Eis von Sir Ernest Shackleton. Es ist die Geschichte einer epischen Expedition, die Shackleton und seine Mannschaft im Jahr 1916 unternahmen. Was mich an diesem Buch so fasziniert, ist, dass es nicht nur um das Überleben unter extremen Bedingungen geht, sondern auch um die Bedeutung von Teamarbeit, Führung und Entscheidungsfindung unter Druck.

Eines der einprägsamsten Zitate aus dem Buch stammt von Shackleton selbst, der sagte: „Nicht die Stärksten oder Intelligentesten werden überleben, sondern diejenigen, die am besten mit Veränderungen umgehen können.“ Ich denke, dass dieses Zitat für Führungskräfte heute besonders relevant ist, da wir ständig mit Veränderungen und Unsicherheit konfrontiert sind.

Darüber hinaus hat mir der Podcast The Tim Ferriss Show sehr geholfen, mich als Führungskraft weiterzuentwickeln. Mit den Tipps von Tim kann ich meine Zeit effizienter nutzen, in schwierigen Zeiten motiviert bleiben und ein einfacheres und entspannteres Leben führen.

 

2. Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben und welche Erwartungen impliziert dies auf deine Mitarbeiter:innen?

Ich würde meinen Führungsstil so beschreiben, dass ich für Struktur und Regeln sorge, aber auch offen für Vorschläge und Kritik bin. Mein Ziel ist es, ein stabiles Umfeld zu schaffen, in dem sich die Mitarbeiter:innen in ihrer Rolle sicher fühlen und sich gleichzeitig verbessern können. Ich versuche, die richtige Richtung vorzugeben, ohne Mikromanagement zu betreiben. Meine Mitarbeiter:innen wissen, was von ihnen erwartet wird, während sie gleichzeitig ein Gefühl der Freiheit und der Verantwortung für ihre Arbeit besitzen. Ich vermittle meinen Mitarbeiter:innen auch Werte, die mir wichtig persönlich wichtig sind – Commitment, Pünktlichkeit, Vertrauen, Offenheit – ich glaube, das ist eine solide Basis für einen partnerschaftlichen und vertrauensvollen Umgang miteinander. Zudem steht Wissenvermittlung bei mir stark im Vordergrund ¬– ich möchte, dass jede:r Mitarbeiter:in sich durch meine Unterstützung persönlich und fachlich weiterentwickeln kann.

 

3. Als Frau zu führen ist nicht immer leicht. Man hört immer wieder auch von Geschichten, wo sich Männer gegenüber Frauen absolut daneben benehmen. Kannst du uns etwas in deine persönliche Geschichte mit reinnehmen und beschreiben, wie du (trotzdessen) zu einer Führungskraft geworden bist? Welche Barrieren musstest du überwinden bzw. wer oder was hat dir dabei geholfen?

Im Laufe meiner Karriere bin ich männlichen Führungskräften begegnet, die sich von mir „bedroht“ fühlten und sich unangemessen verhielten. In diesen Momenten ging ich meist einen Schritt zurück und habe versucht nachzuvollziehen, was die Beweggründe sind, dass sie sich so unprofessionell verhalten. Sehr häufig habe ich es aber auch persönlich genommen und teilweise an meinen Fähigkeiten gezweifelt. Erst später habe ich verstanden, dass die Gründe für dieses Verhalten meist tiefer liegen: Es sind „unconcious biases“ – Erziehung oder andere Probleme, die nichts mit meiner Person zu tun haben.

Seitdem ich das verstanden habe, nehme ich unprofessionelle Anmerkungen nicht mehr für bare Münze und höre nur hin, wenn ein Feedback wertschätzend und konstruktiv angebracht wird. Sollte es jedoch persönlich oder unverschämt werden, kommuniziere ich das unmittelbar und direkt an die Person.

Ich denke aber, dass ich noch einiges lernen kann, wie man mit solchen Konflikten unter Führungspersönlichkeiten umgeht und hier unterstützt mich mein Arbeitgeber AutoScout24 stark. Wir haben einige großartige interne Initiativen gestartet (DEI, Female Leadership etc.) und ich bin vor kurzem auch ein Teil eines professionellen Netzwerks Women Automotive Network aus London geworden. Das Ziel dieser Gruppe ist es, ein Netzwerk für leidenschaftliche Vertreter:innen der Automobilindustrie zu schaffen, die die Dynamik der Branche verändern wollen.

Ich bin sehr glücklich darüber, dass mein Unternehmen in die Richtung Unterstützung bietet und erkennt, wie wertvoll weibliche Führungskräfte sind und die Themen Diversität, Gleichstellung und Inklusion vorantreibt.

 

4. Seit ein paar Jahren wird verstärkt über das Thema „Frauenquote“ in Führungspositionen diskutiert. Wie stehst du zu diesem Thema? Hilft unserer Gesellschaft die Einführung einer Einstellungsquote oder siehst du die Gefahr, dass sich weibliche Führungskräfte damit eher wie „Quotenfrauen“ fühlen?

Es ist schade, dass wir überhaupt über Quoten sprechen müssen, denn idealerweise sollten wir in der Lage sein, Mitarbeiter:innen aufgrund ihrer Qualifikationen und ihres Skillsets auszuwählen und zu fördern, ganz losgelöst von Herkunft, Geschlecht oder Aussehen. Es gibt eine Reihe von überprüfte Studien, die zeigen, dass Unternehmen, die Quoten für die Einstellung von Frauen oder Minderheiten einführen, dadurch ihre Performance und Qualität der Produkte erheblich verbessern. Ein Beispiel hat sogar gezeigt, dass ein Unternehmen, das die Frauenquote eingeführt hat, systematisch mehr Bewerber:innen erhielt und infolgedessen mehr qualifizierte Frauen einstellte. Um die Frage zu beantworten: Ja, ich denke eine Frauenquote würde unserer Gesellschaft helfen – ich hoffe aber sehr, dass wir diese Diskussion schon bald nicht mehr führen müssen.

 

5. Was möchtest du weiblichen Young Potentials gern als Rat mitgeben, die sich für eine Führungsposition interessieren?

Ich würde gerne vier Punkte ansprechen, die mir persönlich sehr wichtig sind und die mich immer wieder aufs Neue motivieren, eine Führungskraft zu sein, obwohl das nicht immer leicht ist und sehr viel Hingabe erfordert.

  1. „Work, work, work“: Du musst deine Arbeit lieben und bereit sein, viel und gern zu arbeiten, um Projekte voranzubringen und andere dazu zu motivieren. Helfe auch deinen Mitarbeiter:innen, einen Sinn zu finden in dem, was sie jeden Tag tun.
  2. „Every day is a school day“: Lerne jeden Tag dazu und je mehr Du lernst, desto besser wirst du in der Lage sein, andere zu führen und in wichtigen Runden mitzudiskutieren.
  3. „Be yourself“: Eine echte Persönlichkeit zu sein, als Vorbild zu agieren und andere zu motivieren, sind aus meiner Sicht die wichtigsten Eigenschaften, die eine Führungskraft besitzen kann. Authentizität hilft dir, für deine Mitarbeiter zugänglich sein ohne unnötige hierarchische Barrieren.
  4. „Stand up for yourself“: Stehe immer für dich selbst ein und fordere das, was dir zusteht. Als Führungskraft muss man durchsetzungsfähig sein und sich nicht scheuen, die eigene Meinung zu sagen und sich für das Richtige einzusetzen.

 

6. Was können hingegen männliche Führungskräfte oder auch gleichgestellte Kollegen tun, um Frauen dabei zu helfen, ihr Potenzial zu entfalten und zu kompetenten Führungskräften zu werden?

Männliche Führungskräfte und Kollegen sollten auf die Herausforderungen achten, denen sich Frauen am Arbeitsplatz gegenübersehen. Zu diesen Herausforderungen gehören beispielsweise die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, geschlechtsspezifische Vorurteile bis hin zu Geschlechterdiskriminierung. Zudem können sie helfen, indem sie sie ermutigen, sie fördern und befördern, sowie ihre guten Leistungen sehen und anerkennen. Da jede Frau einen unterschiedlichen Wertekonstrukt hat, wäre es ideal, wenn die Führungskraft individuell darauf eingeht.

 

7. Seit ein paar Jahren wird versucht, über gendergerechte Sprache für mehr Gleichberechtigung zu sorgen. Gleichzeitig gibt es hierzu aber auch kritische Stimmen und möglicherweise auch einen Bogen, den man überspannen kann. Wie ist deine Position zu dem Thema und inwiefern fühlst du dich durch eine gendergerechte Kommunikation mehr angesprochen?

Meiner Erfahrung nach trägt eine geschlechtergerechte Sprache dazu bei, ein positiveres und integrativeres Umfeld zu schaffen, in dem sich alle wohl und respektiert fühlen können. Durch die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache erkennen wir an, dass es innerhalb der Geschlechter Unterschiede gibt, und respektieren diese. Aus meiner Sicht ist es eine positive Entwicklung und eigentlich nur eine kleine Veränderung, die einen großen Unterschied machen kann.

 

Bonusfrage: Hast du noch weitere Gedanken zum Thema „Female Leadership“ oder „Leadership in Zukunft“, die du mit mir teilen magst?

Das Interview hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich hoffe, dass es noch viele weitere folgen. Ich freue mich, von anderen großartigen Frauen im Leadership zu lesen.

 

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