Eigentlich ist der Begriff „Female Leadership“ in meinen Augen irreführend, weil Führung immer grundlegenden Prinzipien folgt, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Dennoch hatten bzw. teils auch haben es Frauen nicht immer leicht, eine Führungsrolle einzunehmen. Daher soll diese Interviewserie weibliche Führungskräfte besonders ehren und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Perspektive zum Thema Führung weiterzugeben. Darf ich also vorstellen? Gesina Kunkel, Managing Director der impulsQ. Sie wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…

 

Gesina Kunkel

Gesina Kunkel
Managing Director der impulsQ

Gesina Kunkel ist Managing Director der impulsQ GmbH. Der Schwerpunkt der 20-köpfigen Online Marketing Agentur liegt auf Content Distribution und Digitaler PR in mittlerweile über 100 Ländern. Die impulsQ GmbH hat mit der Wortrakete GmbH und Clickhero GmbH zwei Tochterunternehmen. Zur Firmengruppe gehören die Wortrakete GmbH, Clickhero GmbH und afs-Akademie für Fortbildung in Suchmaschinenoptimierung GmbH.
Bei impulsQ leitet Gesina das operative Geschäft, optimiert interne Prozesse und ist für Entwicklung bzw. Weiterentwicklung von Führungskräften verantwortlich.
Seit 2017 ist Gesina als Führungskraft tätig. Begonnen hat sie als Realisatorin und Teamleiterin einer internationalen TV-Produktionsfirma.

 

1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich als Führungskraft positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?

Bei dieser Frage muss ich tatsächlich etwas ausholen. Einige Jahre habe ich ein Buch nach dem anderen gelesen. Dabei ging es hauptsächlich um Persönlichkeitsentwicklung, Unternehmertum und Psychologie. Als ich damals auf meinen Mentor traf und ihm davon erzählte, gab er mir einen Rat, der mir bis heute in Erinnerung geblieben ist.

Er sagte: „Leg die Bücher weg, und mach einfach. Fürs Unternehmertum gibt es keine Anleitung. Du wirst immer auf Situationen treffen, die du nicht kennst und dann musst du das tun, was für dich in dem Moment richtig ist. Und das steht in keinem Buch.“ Diesen Rat befolge ich seither und bin sehr erfolgreich damit.

Dennoch konsumiere ich gelegentlich den Podcast Fast & Curious von Lea-Sophie Cramer und Verena Pausder und halte mich über Aktuelles zum Thema Unternehmertum und Trends auf dem Laufenden und bekomme dadurch nicht nur neue Impulse, sondern lerne auch andere Perspektiven kennen.

Zudem ist es mir wichtig mein Team zu verstehen. Denn wie in jedem Unternehmen treffen unterschiedliche Persönlichkeitstypen aufeinander, die sich nicht nur in ihrem Arbeit- und Kommunikationsstil unterscheiden, sondern auch in ihren Perspektiven und Vorlieben. Um das Team auf einen Nenner zu bringen und gemeinsam auf ein Ziel erfolgreich hinzuarbeiten, haben mich die Bücher The big five for life von John Strelecky und Das Robbins Power Prinzip von Tony Robbins sehr geprägt.

 

2. Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben und welche Erwartungen impliziert dies auf deine Mitarbeiter:innen?

„Erwarte von deinen Mitarbeiter:innen nichts, was du selbst nicht bereit bist zu tun“ – Dieser Leitsatz von meinem Mentor hat mich sehr geprägt, wonach ich bis heute das Unternehmen führe.

Grundsätzlich würde ich meinen Führungsstil als agil beschreiben. Je nach Situation und Person passe ich diesen gelegentlich an. Im Unternehmen haben wir flache Hierarchien und die Kommunikation mit den Mitarbeiter:innen findet auf Augenhöhe statt. Mir ist es wichtig, transparent zu kommunizieren und empathisch und authentisch zu sein und zu zeigen, wer ich bin.

Ich fördere und entwickle meine Mitarbeiter:innen und gebe ihnen recht früh mehr Verantwortung. Zudem lege ich viel Wert auf eine offene Fehler- und Feedbackkultur. Und lobe, wenn etwas gut gemacht bzw. gesteckte Ziele erreicht wurden.

Jeder im Team trägt zum Unternehmenserfolg bei und wird daran auch beteiligt. Ich verlange viel, gebe aber auch viel zurück. Getreu dem Motto: Geben und Nehmen! Mir ist es wichtig dem Team zu kommunizieren, nicht was sie tun, sondern warum sie etwas tun. Denn wenn sie die Vision kennen und ich das als Führungskraft vorlebe, ist die Motivation eine ganz andere und die Mitarbeiter:innen kommen gerne zur Arbeit.

 

3. Als Frau zu führen ist nicht immer leicht. Man hört immer wieder auch von Geschichten, wo sich Männer gegenüber Frauen absolut daneben benehmen. Kannst du uns etwas in deine persönliche Geschichte mit reinnehmen und beschreiben, wie du (trotzdessen) zu einer Führungskraft geworden bist? Welche Barrieren musstest du überwinden bzw. wer oder was hat dir dabei geholfen?

In den ersten 1,5 Jahren in der Online Marketing Branche musste ich einige Hürden überwinden. Als Frau in einer Männerdomäne, geprägt von Vorurteilen wurde ich nicht immer ernst genommen. Zudem habe ich viele unschöne Dinge sexueller Belästigung erlebt, die nicht immer leicht waren. An der Stelle möchte ich insbesondere Martin Brosy danken, der mir immer zur Seite gestanden hat und mich unterstützt hat.

Gerne gebe ich ein paar Einblicke darüber, die mir in der Vergangenheit passiert sind:
Angefangen hat dies mit einem Messebesuch in London. Dort bekam ich von einem Unternehmer ein aufdringliches Angebot. Er fragte mich, ob ich Lust hätte mit auf sein Zimmer zu kommen.

Auf einer Gründerveranstaltung passierte mir ähnliches, wenn auch in einer anderen Qualität. Dort wurde mir von einem Teilnehmer bei der Abendveranstaltung beim Vorbeigehen auf den Po gehauen. Später teilte er mir die Zimmernummer mit.

Ein weiterer Vorfall ereignete sich bei einem Telefonat mit einem Online Marketer. Gerade am Anfang habe ich viel Wert aufs Netzwerken gelegt, da ich die Online Marketing Szene noch nicht kannte. Das Gespräch fand zu späteren Stunde statt und irgendwann schweifte mein Gesprächspartner ab und fragte mich, ob ich schon einmal in einem Swinger Club war und ob ich unten rasiert sei.

Ich könnte noch einige weitere Ereignisse aufzählen, doch das würde jetzt hier den Rahmen sprengen. Die Antwort darauf war dann eine Anti-Sexismus-Kampagne, die wir gestartet haben, um die Gesellschaft dafür zu sensibilisieren und den Opfern von Sexismus eine Stimme zu geben. Die Kampagne war ein voller Erfolg und die Ereignisse, wie oben beschrieben, haben sich seitdem nicht mehr zugetragen.

Mein Tipp: Ganz klare Grenzen aufzeigen! Spreche über das Erlebte mit einer vertrauten Person und suche das Gespräch mit dem Täter.

 

4. Seit ein paar Jahren wird verstärkt über das Thema „Frauenquote“ in Führungspositionen diskutiert. Wie stehst du zu diesem Thema? Hilft unserer Gesellschaft die Einführung einer Einstellungsquote oder siehst du die Gefahr, dass sich weibliche Führungskräfte damit eher wie „Quotenfrauen“ fühlen?

Das Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Führungspositionen ist am 1. Mai 2015 in Kraft getreten. Hier ein paar Zahlen einer Statistik zur Frauenquote im wirtschaftlichen Sektor von Statista. (VÖ: 24.1.2022)

  • 17,5 Prozent Frauenanteil in den Vorständen der DAX-40-Unternehmen
  • 16,4 Prozent Frauenanteil in den Vorständen der 100 größten deutschen Unternehmen
  • 35,7 Prozent Frauenanteil in den Vorständen der größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland
  • 34,7 Prozent Frauenanteil im Aufsichtsrat der DAX-Unternehmen

2012 lag der Frauenanteil in den Vorständen der 100 größten deutschen Unternehmen bei 2,4 Prozent. Es bewegt sich also was, wenn auch nur langsam. Im Jahr 2021 arbeiteten insgesamt 29 Prozent Frauen in einer Führungsposition in Deutschland. Damit belegte Deutschland Platz 20 von 27 in der EU.

Spitzenreiter ist Lettland mit 46 Prozent, gefolgt von Schweden und Polen mit jeweils 43 Prozent.
Grundsätzlich ist die Frauenquote ein Schritt in die richtige Richtung für Gleichstellung von Frauen in der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Allerdings wird sie langfristig meiner Meinung nach das Problem nicht lösen. Die vorhandenen Strukturen werden dadurch nicht bekämpft, sondern die Symptome nur gelindert bzw. unterdrückt.

Eine Gefahr in der Frauenquote sehe ich dann, wenn sie über die nötigen Qualifikationen gestellt wird und die Fähigkeiten und die Leistungen bei sogenannten „Quotenfrauen“ zur Nebensache wird.

Bei impulsQ stellen wir aufgrund von Leistung ein. Das Geschlecht, Herkunft, Religion etc. spielen dabei keine Rolle. Wenn sich also eine Frau für eine Führungsposition bewirbt und sie nur eingestellt wird, um die „Frauenquote“ zu erfüllen, hätte das Geschlecht mehr wert als die Leistung.

Würde mir das selbst gefallen? Keineswegs.

Am Ende erreicht man womöglich nur, dass das Interesse der Top Spitzenkräfte für Führungspositionen bei Unternehmen, die die Frauenquote erfüllen müssen, abnimmt und sie sich nicht mehr bewerben. Eine Frauenquote und Qualifikation ist beides möglich, sie müssen sich nicht ausschließen. Es gibt auch männliche Führungskräfte, die ihrer Position nicht immer gerecht werden. Doch eine Quote ohne Qualifikation sollte es nicht sein.

Ich denke die Förderung von Frauen muss schon viel früher beginnen. Frauen müssen gefördert werden sich weiterzubilden und sich für Führungspositionen zu qualifizieren. Ein weiterer Aspekt ist hier die gleiche Bezahlung und Chance auf gleiche Beförderung, die in unserer Gesellschaft nach wie vor leider nicht selbstverständlich ist.

 

5. Was möchtest du weiblichen Young Potentials gern als Rat mitgeben, die sich für eine Führungsposition interessieren?

Das richtige Mindset ist Key. Die meisten scheitern daran erfolgreich zu sein, weil sie nicht das richtige Mindset haben.

Mein Appell an alle weiblichen Young Potentials: Wenn du etwas willst, dann arbeite daran und zieh es durch. Kommuniziere dein Vorhaben ganz offen! Glaube an dich und deine Fähigkeiten. Lass dir nicht reinreden und mach einfach dein Ding. Gehe nicht über Leichen, sondern bleibe menschlich und bleibe immer fair. Suche dir einen Mentor. Für mich als Unternehmerin war das das letzte Puzzleteil, um erfolgreich zu sein. Vernetze dich mit Leuten, die es bereits geschafft haben, wo du hinwillst. Lerne von ihnen.

 

6. Was können hingegen männliche Führungskräfte oder auch gleichgestellte Kollegen tun, um Frauen dabei zu helfen, ihr Potenzial zu entfalten und zu kompetenten Führungskräften zu werden?

Noch immer werden vorrangig Männer mit Führungspositionen assoziiert. Um unbewusst Vorurteile gegen Frauen in Führungspositionen abzubauen, sollten männliche Führungskräfte geschult werden und anfangen vorhandene Strukturen neu zu denken. Das Bewusstsein muss geschaffen werden, um bei der nächsten Besetzung eine gerechtere Entscheidung fällen zu können. Männliche Führungskräfte könnten beispielsweise auch ein Leitfaden zum Thema „unconscious bias“ einführen, um frühzeitig Vorurteilen entgegenzuwirken.

Ein weiterer wichtiger Punkt, um mehr Frauen in Führungsverantwortung zu bekommen, ist, gewisse Hürden abzubauen. Männliche Führungskräfte und gleichgestellte Kollegen sollten die Kolleginnen gleichermaßen unterstützen und ihnen Mut zusprechen. Nach wie vor glauben Frauen weniger an ihre Fähigkeiten als Männer.

 

7. Seit ein paar Jahren wird versucht, über gendergerechte Sprache für mehr Gleichberechtigung zu sorgen. Gleichzeitig gibt es hierzu aber auch kritische Stimmen und möglicherweise auch einen Bogen, den man überspannen kann. Wie ist deine Position zu dem Thema und inwiefern fühlst du dich durch eine gendergerechte Kommunikation mehr angesprochen?

Ich finde den Ansatz eine gendergerechte Sprache für mehr Gleichberechtigung zu wählen grundsätzlich gut. Allerdings denke ich nicht, dass das aktuelle gendern mit Sternchen, was alle Geschlechtsidentitäten inkludieren soll, langfristig die Lösung ist. Es ist mehr ein Werkzeug bzw. ein erster Schritt auf dem Weg zur gerechteren Sprache, in der vielleicht die geschlechtsspezifischen Endungen nicht mehr nötig sind.

Meiner Meinung nach brauchen wir einen Sprachwandel. Und Sprachwandel passiert, indem wir die Worte behalten und uns dabei etwas anderes denken.

Früher wurde eine Frau als Frau bezeichnet, wenn sie verheiratet war. Und unverheiratete Frauen als Fräulein. Das Wort Fräulein wurde mittlerweile abgeschafft und das Wort Frau wird nun für verheiratete und unverheiratet Frauen verwendet.

Die Lösung könnte hier ein nationaler Sprachrat sein, bestehend aus allen gesellschaftlichen Gruppierungen, nicht vom Gesetzgeber vorgegeben, der sich damit beschäftigt, wie und ob wir die Sprache modernisieren können.

 

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