Eigentlich ist der Begriff „Female Leadership“ in meinen Augen irreführend, weil Führung immer grundlegenden Prinzipien folgt, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Dennoch hatten bzw. teils auch haben es Frauen nicht immer leicht, eine Führungsrolle einzunehmen. Daher soll diese Interviewserie weibliche Führungskräfte besonders ehren und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Perspektive zum Thema Führung weiterzugeben. Darf ich also vorstellen? Dominique Harris, Director Organic Search bei Peak Ace. Sie wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…
Dominique Harris
Director Organic Search bei Peak Ace
Dominique Harris ist Director Organic Search bei der Peak Ace AG. Zusammen mit ihrer über 50-köpfigen Organic Search Abteilung entwickelt und realisiert sie international skalierbare, innovative und performance getriebene Content (Marketing) und SEO Strategien. Das Wachstum von Sichtbarkeit, Brand Awareness, Traffic, Leadgenerierung, Customer Conversion und die Stärkung der Kundenbindung stellt sie für ihre Kunden durch datengetriebene Ansätze und individuelle Strategien sicher. Sie Gastgeberin des Performance Content Marketing & SEO Meetups in Berlin und spricht regelmäßig international auf Fachkonferenzen.
Die 2007 gegründete Peak Ace AG ist eine international tätige Performance-Marketing-Agentur mit Hauptsitz in Berlin. Die mehr als 210 Mitarbeiter:innen an den Standorten Berlin, Leipzig, Paris und Nantes realisieren Kampagnen in über 25 Sprachen auf muttersprachlichem Niveau.
Performance Marketing ist das Kerngeschäft von Peak Ace, dazu zählen Paid Advertising (PPC), Organic Search (SEO) und Content Marketing sowie Conversion Rate Optimisation und Digital Analytics. Die herausragenden Leistungen der Agentur werden innerhalb der Marketingbranche anerkannt: Im Jahr 2022 wurde Peak Ace mehrfach ausgezeichnet, darunter als „Best Global Large Integrated Search Agency“ sowie „PPC Agency of the Year”.
1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich als Führungskraft positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?
Als ich 2016 das erste Mal in meinem Leben ein Team übernommen habe und führen durfte, habe ich als aller erstes The Rules of Management von Richard Templar gelesen. Dieses Buch hat mich als Nueling in der Teamführung in vielen Punkten inspiriert und mir diverse Themen ins Bewusstsein gerufen, wie unter Anderem:
- Wie setze ich realistische Ziele
- Wie werden/bleiben Meetings effektiv
- Die Relevanz konsistenter Entscheidungen und das Lernen aus eigenen Fehlern
- Warum Stagnation und das Festhalten an der eigenen Rolle/dem aktuellen Aufgabenfeld schlecht für alle ist
Darüber hinaus ist der HBR Guide Leading Teams von Mary Shaprio ein Evergreen für mich und kann ich auf jeden Fall weiterempfehlen. Hier schaue ich immer mal wieder rein und suche, je nach aktueller Herausforderung, nach Ideen und Lösungsansätzen da der Guide diverse Praxisbezüge bietet. Unter anderem befasst sie die Autorin hier mit Themen wie:
- Team auf- und Ausbau: die richtigen Teammitglieder auswählen
- Klare Ziele (u.a. Bezug zu smart Goals) setzen
- Förderung von Teamgeist und Zusammenarbeit
- Mitarbeiter:innen und Kollegen Verantwortung übertragen
- Unangebrachtes Verhalten thematisieren und verbessern
- Arbeitsumfelder fokussierte und motivierte Teams
2. Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben und welche Erwartungen impliziert dies auf deine Mitarbeiter:innen?
Als Führungskraft versuche ich immer einen transformationalen Führungsstil zu verfolgen, um neues Denken, Eigenverantwortung und Offenheit für Veränderung und Innovation zu fördern und dezentralisierte Entscheidungen zu ermöglichen. Ich bin davon überzeugt, dass der transformationale Führungsstil der beste Weg ist, um meine Mitarbeiter:innen zu inspirieren und zu motivieren.
Dabei strebe ich immer nach einer authentischen und offenen Arbeitseise und Kommunikation und möchte diese weitergeben. Dazu gehört nicht nur das aktive Teilen von Best Practices und Success Storys, sondern in gleichem Maße auch die offene Kommunikation über Fallstricke und Überwundene Herausforderungen in Debriefings und Retrospektiven.
Ich weiß, dass unsere Mitarbeiter:innen von Natur aus motiviert sind, ihre Arbeit gut zu machen, und ich möchte ihnen dabei helfen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Dafür sind unsere strukturierten Feedbackprozesse aus meiner Sicht das beste Werkzeug – Jede/r Mitarbeiter:in hat nicht nur ein monatliches 1:1, sondern auch alle 6 Monate ein Feedback Gespräch unter der Verwendung einer Entwicklungsmatrix, die von dem/der Mitarbeiter:in und der jeweiligen Führungskraft ausgefüllt wird. Dazu kommt noch das Feedback von den Kollegen:innen aus dem eigenen Squad und Chapter als auch von den Projektteams zur Zusammenarbeit, um ein möglichst umfassendes Bild besprechen zu können und mögliche Entwicklungsfelder gemeinsam herausarbeiten zu können. Das Ergebnis ist immer ein gemeinsam abgestimmter Entwicklungsplan und nun liegt der Ball bei der/dem Mitarbeiter:in. Hier ist nun Eigeninitiative gefragt, um die gesetzten Ziele proaktiv zu verfolgen und realisieren zu können. Die Führungskraft ist hierbei selbstverständlich begleitend dabei und unterstützt bei der Suche und Organisation nach passenden Weiterbildungsangeboten und der Planung der benötigten Zeit oder den passenden Projekten.
Wir arbeiten in Chapter und Squads als auch in Kundenspezifischen Projektteams und sind insgesamt in Cross-funktionalen Teams organisiert. Diese Struktur bedarf eine Menge Selbstorganisation und eine starke Kommunikation bei jede/r Mitarbeiter:in, da jeder potenziell Mitglied in mehreren Projektteams ist, in jedem Projekt eine andere Rolle haben kann und die eigenen Deadlines und Aufgaben priorisieren kann.
Darüber hinaus ist es mir wichtig, dass meine Mitarbeiter:innen das Gefühl haben, dass ihre Meinungen und Ideen gehört werden und dass sie sich wertgeschätzt und respektiert fühlen, weshalb wir regelmäßige Happiness Umfragen durchführen und auswerten und Maßnahmen ableiten.
Ich glaube, dass eine positive Arbeitsatmosphäre der Schlüssel zu einem erfolgreichen Team ist. Dazu gehört für mich neben den diversen Events in den Teams, ein konstruktiver Umgang mit Konflikten, eine unterstützende Arbeitskultur (hier setzen wir beispielsweise ein Mentoring Programm ein) aber auch der Fokus auf individuelle Bedürfnisse und Ziele meiner Mitarbeiter:innen. Ich möchte, dass sie sich in ihrer Arbeit wohl fühlen und dass sie das Gefühl haben, dass sie etwas bewirken können.
3. Als Frau zu führen ist nicht immer leicht. Man hört immer wieder auch von Geschichten, wo sich Männer gegenüber Frauen absolut daneben benehmen. Kannst du uns etwas in deine persönliche Geschichte mit reinnehmen und beschreiben, wie du (trotzdessen) zu einer Führungskraft geworden bist? Welche Barrieren musstest du überwinden bzw. wer oder was hat dir dabei geholfen?
Glücklicherweise kann ich sagen, dass ich bei meinem Arbeitgeber nie negative Erfahrungen diesbezüglich gemacht habe oder mich jemals zurückgestellt gefühlt habe. Das Gegenteil ist sogar der Fall: Vom ersten Tag an hatte ich das Gefühl, dass das Geschlecht bei Peak Ace absolut keine Rolle spielt und ich habe meinen größten Förderer (und Forderer 😊) in einem männlichen Vorgesetzten gefunden. Bastian Grimm habe ich hier eine ganze Menge zu verdanken, denn er hat mich immer dazu bewegt für meine Meinung, meine Ideen und Visionen einzustehen und mir den nötigen Raum dafür gegeben.
Auch in meinem Team hatte ich nie das Gefühl, als weibliche Führungskraft ein Akzeptanz Problem zu haben – auch nicht als damals zugegebenermaßen bspw. das SEO-Team noch überwiegend noch aus männlichen Kollegen bestand (heute 50/50 Frauen und Männer, yeah!!).
Natürlich gab es auf meinem Weg auch hier und da mit männlichen Brachenkollegen außerhalb meines Arbeitgebers Konflikte oder unangenehme Situationen, in denen mir schon eindeutig signalisiert wurde, dass man(n) lieber mit einer männlichen Führungskraft sprechen würde oder gar Entscheidungen von mir aufgrund meines Geschlechts nicht ernst genommen wurden. Diese, ich nenne es mal „herausfordernden Situationen“, bleiben leider nicht aus und sollten meiner Meinung nach auch offen angesprochen und problematisiert werden, was ich auch stets tue.
4. Seit ein paar Jahren wird verstärkt über das Thema „Frauenquote“ in Führungspositionen diskutiert. Wie stehst du zu diesem Thema? Hilft unserer Gesellschaft die Einführung einer Einstellungsquote oder siehst du die Gefahr, dass sich weibliche Führungskräfte damit eher wie „Quotenfrauen“ fühlen?
Eine Frauenquote in Führungspositionen kann dazu beitragen, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt zu verbessern und die Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen zu verringern bzw. zumindest auf die existierenden strukturellen Probleme aufmerksam zu machen. In diversen Branchen gibt es immer noch eine hohe Diskrepanz zwischen dem Anteil von Frauen und Männern in Führungspositionen, was auf tief verwurzelte Geschlechterstereotype und Benachteiligungen von Frauen zurückzuführen ist. Eine Frauenquote könnte dazu beitragen, diese Ungerechtigkeiten auszugleichen und die Karrierechancen von Frauen zu verbessern.
Sicher besteht die Gefahr, dass Frauen, die durch eine Frauenquote in Führungspositionen berufen werden, sich als „Quotenfrauen“ fühlen und damit ihre Legitimität in Frage gestellt sieht. Ich bin der Meinung, dass die Qualifikation und Erfahrung von Führungskräften wichtiger sein sollten als ihr Geschlecht und dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts nicht automatisch für Führungspositionen geeignet sind – das funktioniert jedoch nur, wenn alle Kandidaten die gleichen Chancen haben und hatten. Jedoch lässt sich nicht leugnen, dass es sowohl in deutschen Aktiengesellschaften als auch im Bundestag ohne eine Frauenquote nie eine ansatzweise ausgewogene Gewichtung in der Verteilung der (Bspw. Vorstands-, Aufsichtsrats-) Sitze gab. Im Idealfall ist die Frauenquote in Führungspositionen nur als Auftakt für einen strukturellen Wandel zu sehen – Um Frauen in Führungspositionen wirklich gleichzustellen, sind jedoch weitere Maßnahmen notwendig.
Zunächst muss sichergestellt werden, dass Frauen und Männer gleiche Karrierechancen und -möglichkeiten haben. Dazu gehört zum Beispiel die Förderung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Geschlechter, die Bekämpfung von Geschlechterstereotypen in der Arbeitswelt sowie die Bekämpfung von Lohnungleichheit. Außerdem ist es wichtig, dass Frauen in Führungspositionen als Vorbilder fungieren und sichtbar werden, um anderen Frauen den Weg in Führungspositionen zu ebnen. Dazu können zum Beispiel Mentoring-Programme oder Diversity-Initiative beitragen. Insgesamt ist die Einführung einer Frauenquote für Führungspositionen ein wichtiger Schritt, um die Geschlechterungleichheit in der Arbeitswelt zu verringern. Allerdings müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden, um Frauen wirklich gleichzustellen und ihnen die gleichen Karrierechancen wie Männern zu bieten.
5. Was möchtest du weiblichen Young Potentials gern als Rat mitgeben, die sich für eine Führungsposition interessieren?
- Setze klare Ziele: Überleg dir, was du erreichen möchtest und welche Führungsposition du anstrebst. Ein klares Ziel hilft dir, dich zu motivieren und deine Karriereplanung zu fokussieren.
- Erweitere dein Wissen und deine Fähigkeiten: Eine Führungsposition erfordert bestimmte Fähigkeiten und Kompetenzen. Stelle sicher, dass du diese besitzt oder sie dir aneignest, indem du dich kontinuierlich weiterbildest und neues Wissen aufbaust.
- Netzwerke: Ein starkes professionelles Netzwerk kann dir helfen, Karrierechancen zu erschließen und dich weiterzuentwickeln. Nutze die Möglichkeiten, die sich dir bieten, um Kontakte zu knüpfen und dein Netzwerk zu erweitern.
- Sei selbstbewusst: Als Führungskraft musst du in deiner Fähigkeit vertrauen und dich oft selbstbewusst präsentieren. Glaube an dich und deine Stärken und traue dich, deine Meinung zu äußern und Entscheidungen zu treffen.
- Sei offen für neue Herausforderungen: Eine Führungsposition bringt oft neue Herausforderungen mit sich. Sei offen dafür und bereit, dich stetig weiterzuentwickeln und neue Dinge zu lernen.
- Suche Unterstützung: Eine Führungsposition kann manchmal stressig sein. Suche daher Unterstützung bei anderen, zum Beispiel in Form von Mentoren oder Coaches, die dir bei der Bewältigung von Herausforderungen helfen können.
6. Was können hingegen männliche Führungskräfte oder auch gleichgestellte Kollegen tun, um Frauen dabei zu helfen, ihr Potenzial zu entfalten und zu kompetenten Führungskräften zu werden?
Männliche Führungskräfte und gleichgestellte Kollegen können auf verschiedene Weise dazu beitragen, dass Frauen ihr Potenzial entfalten und zu kompetenten Führungskräften werden:
- Unterstützung bei der Karriereplanung: Führungskräfte können Frauen dabei unterstützen, ihre Karriereziele zu definieren und sich auf ihre Karriereentwicklung zu konzentrieren. Sie können zum Beispiel als Mentoren fungieren oder Frauen bei der Suche nach Weiterbildungsmöglichkeiten helfen.
- Gleiche Karrierechancen bieten: Frauen sind oft noch immer stärker als Männer von der Doppelbelastung von Beruf und Familie betroffen. Führungskräfte können sicherstellen, dass Frauen und Männer die gleichen Karrierechancen und -möglichkeiten haben. Dazu gehört zum Beispiel die gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, die Förderung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Geschlechter (zum Beispiel durch flexible Arbeitszeitmodelle oder Homeoffice-Optionen) und die Bekämpfung von Lohnungleichheit.
- Sichtbarkeit fördern: Führungskräfte und gleichgestellte Kollegen können dazu beitragen, dass Frauen in Führungspositionen sichtbarer werden. Sie können zum Beispiel dafür sorgen, dass Frauen in Meetings und Projekten gezielt eingebunden werden und dass ihre Meinungen und Ideen gehört und berücksichtigt werden.
- Bekämpfung von Stereotypen und Vorurteilen: Führungskräfte und gleichgestellte Kollegen können dazu beitragen, dass Frauen in Führungspositionen nicht von Stereotypen und Vorurteilen beeinflusst werden. Sie können bewusst auf Gender-Stereotypen verzichten und sich gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts einsetzen.
- Förderung von Diversity und Inklusion: Männliche Führungskräfte und gleichgestellte Kollegen können dazu beitragen, dass Frauen in Führungspositionen nicht als „Quotenfrauen“ wahrgenommen werden, sondern als gleichwertige Kollegen. Sie können dafür sorgen, dass das Thema Gleichstellung und Diversity in ihrem Unternehmen sensibilisiert wird. Dazu gehört zum Beispiel die Durchführung von Diversity-Schulungen oder die Förderung von Austausch und Diskussion zu diesen Themen.
7. Seit ein paar Jahren wird versucht, über gendergerechte Sprache für mehr Gleichberechtigung zu sorgen. Gleichzeitig gibt es hierzu aber auch kritische Stimmen und möglicherweise auch einen Bogen, den man überspannen kann. Wie ist deine Position zu dem Thema und inwiefern fühlst du dich durch eine gendergerechte Kommunikation mehr angesprochen?
Sprache verändert sich, seit es Sprache gibt – aktuell in Bezug auf das Gendern nicht organisch, sondern mit viel Nachdruck und Mühe. Wir versuchen die Sprache an die Welt anzupassen, in der wir leben (wollen) und natürlich ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Welt für viele die Gleichstellung und Sichtbarkeit aller Geschlechter, auch in der Sprache. Ein Sprachwandel ist für viele unbequem und Menschen empfinden diesen erst einmal als negativ, das ist der Forschung bekannt. Ich selbst muss zugeben, dass ich meine Texte, Nachrichten etc. oft mehrfach Korrekturlesen muss, da mir immer wieder Formulierungen wie „Kollegen“, „Mitarbeiter“ etc. durchrutschen.
Ich selbst fühle mich bewusst durch geschlechtergerechte Sprache nicht mehr angesprochen als ohne, muss aber auch zugeben, dass ich bei Berichten über „Politiker“, „Ärzte“ oder „Physiker“ in den allermeisten Fällen eine männliche Person im Kopf habe. Daher bin ich davon überzeugt, dass eine geschlechtergerechte Sprache kurzfristig dazu führen kann, die in der deutschen Sprache „kodierten Asymmetrie“ (Männer als Norm wahrzunehmen) aufzubrechen. Sprachlich (aber auch funktional in Bezug auf Zugänglichkeit von Inhalten durch bspw. Bildschirmlesegeräte) bin ich mit den bekannten Varianten wie bspw. dem Gendersternchen, dem Doppelpunkt oder dem Binnen-I nicht wirklich zufrieden, sehe dies aber auch eher als Zwischenstation für eine lange Debatte und als Startpunkt für einen echten Sprachwandel, der stattfinden muss.