Eigentlich ist der Begriff „Female Leadership“ in meinen Augen irreführend, weil Führung immer grundlegenden Prinzipien folgt, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Dennoch hatten bzw. teils auch haben es Frauen nicht immer leicht, eine Führungsrolle einzunehmen. Daher soll diese Interviewserie weibliche Führungskräfte besonders ehren und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Perspektive zum Thema Führung weiterzugeben. Darf ich also vorstellen? Elena Klammer, Geschäftsführerin bei computeruniverse. Sie wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…
Elena Klammer
Geschäftsführerin bei computeruniverse
Elena Klammer ist Geschäftsführerin bei der computeruniverse GmbH, einem Onlineshop für Technik und Unterhaltungselektronik und einer 100% Tochter von Hubert Burda Media.
Sie hat gemeinsam mit mir an der DHBW in Ravensburg BWL mit Schwerpunkt Medien- und Kommunikationswirtschaft studiert. Im Anschluss daran hat sie als Management Consultant diverse Erfahrungen in den Bereichen Projektmanagement, M&A, Vertrieb und Marketing gesammelt, bevor sie 2015 ihre erste Führungsrolle als Geschäftsführerin eines Online-Weinhändlers übernommen hat.
1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich als Führungskraft positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?
Ich bin niemand, der viele Fachbücher wälzt. Was ich über Führung gelernt habe, hat viel mit Beobachtung oder mit Austausch zu tun. Beim Abschauen haben mich gute Führungskräfte inspiriert und weniger gute Führungskräfte gezeigt, wie ich auf keinen Fall mit Menschen umgehen möchte. Meine Mediationsausbildung hat mir zusätzlich geholfen, mich auf andere Menschen einzulassen, deren Perspektive zu sehen und zuzulassen.
Podcasts begleiten mich vor allem auf längeren Autofahrten. Vor dem Hintergrund Führung höre ich gerne Team A – der ehrliche Führungspodcast. Die Themen sind dabei so unterschiedlich wie die Gäste und die Folgen sehr kurzweilig. Ob in TED Talk, Interviews oder Bücher mag ich außerdem Simon Sinek gerne. Sicher ein bisschen amerikanisch, trifft bei mir aber einen Nerv und ich finde ihn „in angemessenen Maßen“ immer wieder inspirierend.
2. Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben und welche Erwartungen impliziert dies auf deine Mitarbeiter:innen?
Ich bin ein Teamplayer, der gerne Verantwortung übernimmt und auch kein Problem damit hat, Entscheidungen zu treffen und für Klarheit zu sorgen. Mir ist es wichtig, das große Ganze zu sehen, meinen Kolleg:innen Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ihnen ermöglichen, unsere gesteckten Ziele zu erreichen. Ich bin die, die den Mitarbeiter:innen das Bild zeichnet, wo wir hinwollen und die übergreifend sicherstellt, dass alle in dieselbe Richtung laufen.
Offene und direkte Kommunikation ist mir dabei genauso wichtig wie Verbindlichkeit. Ich gebe außerdem viel Vertrauensvorschuss und bin damit immer gut gefahren. Darüber hinaus sind mir sind eine gesunde Leistungskultur und unternehmerisches Denken sehr wichtig. Wenn wir in einer heißen Phase sind, erwarte ich, dass wir Projekte gemeinsam rocken und auch Extrameilen gehen.
Auf der anderen Seite ist mir wichtig, dass es Kolleg:innen möglich ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Das Kinderturnen um 16 Uhr muss genauso drin sein, wie der Arzttermin mit der 86-jährigen Oma. Ich selbst habe einen drei-jährigen Sohn und habe einen 80%-Teilzeit-Vertrag. Ich weiß also auch, welche Flexibilitäten manchmal nötig sind.
3. Als Frau zu führen ist nicht immer leicht. Man hört immer wieder auch von Geschichten, wo sich Männer gegenüber Frauen absolut daneben benehmen. Kannst du uns etwas in deine persönliche Geschichte mit reinnehmen und beschreiben, wie du (trotzdessen) zu einer Führungskraft geworden bist? Welche Barrieren musstest du überwinden bzw. wer oder was hat dir dabei geholfen?
Ich habe nicht das Gefühl, dass ich Barrieren aufgrund meines Geschlechts überwinden musste. Mein Engagement und mein Know How wurden gesehen, ich wurde immer gefördert und gefordert – egal ob von männlichen oder weiblichen Führungskräften oder Kolleg:innen.
Aber eine Sache gab es dann doch, die wohl leider symptomatisch ist und derer auch ich mich auch nicht entziehen konnte: Ich habe mit 28 Jahren meine erste Stelle als Geschäftsführerin und die damit verbundene Verantwortung übernommen. Gehaltstechnisch hat sich diese Verantwortung nicht direkt gespiegelt, auch im Vergleich zu meinem damaligen GF-Kollegen. Ich sah mich mit den Argumenten „du bist noch so jung“ und „in deinem Alter hatte ich weniger“ konfrontiert. Die, die das sagten waren immer Männer. Ich will nicht unterstellen, dass es ausschließlich daran lag, dass ich eine Frau bin. Es war sicher die Mischung aus jung und Frau. In Summe war es für mich dennoch frustrierend und auch nicht fair.
Ich bin so sozialisiert, dass ich immer bereit war in Vorleistung zu gehen und darauf zu vertrauen, dass mein Fleiß und mein Engagement gesehen und wertgeschätzt werden. Letztlich hat sich das auch ausgezahlt. Geholfen hat dann aber zusätzlich ein Führungswechsel und eine weibliche Führungskraft, die die Dinge klarer gesehen und mich unterstützt hat.
Natürlich ist es reine Spekulation, aber ich glaube die Kombination jung und Mann wäre anders „honoriert“ worden.
4. Seit ein paar Jahren wird verstärkt über das Thema „Frauenquote“ in Führungspositionen diskutiert. Wie stehst du zu diesem Thema? Hilft unserer Gesellschaft die Einführung einer Einstellungsquote oder siehst du die Gefahr, dass sich weibliche Führungskräfte damit eher wie „Quotenfrauen“ fühlen?
Ich bin kein Fan der Frauenquote, auch wenn ich grundsätzlich verstehe, warum es die Debatte gibt. Für mich hat sie leider oftmals einen verzweifelten Touch, weil es offensichtlich nicht anders möglich ist, ein für mich recht selbstverständliches Thema durchzusetzen.
Viel wichtiger als die Debatte dazu wären aus meiner Sicht aber Fakten und Taten. Role Models, die zeigen, wie es geht. Die den „grauen Herren in Anzügen“ genauso die Angst nehmen, wie den jungen ambitionierten Frauen, die heute das Gefühl haben sich zwischen Karriere und Familie entscheiden zu müssen. Wir brauchen Lösungen zu Kinderbetreuung und Elternzeitregelungen. Und wir benötigen ein gewisses Selbstverständnis innerhalb unserer Gesellschaft. Wenn es am Ende nur darum geht die Quote zu erfüllen, dann haben wir aus meiner Sicht überhaupt nichts erreicht.
5. Was möchtest du weiblichen Young Potentials gern als Rat mitgeben, die sich für eine Führungsposition interessieren?
Es ist völlig ok, wenn man keine Führungsverantwortung übernehmen will. Führen bedeutet auch viel Zeit und teilweise Kraft in andere Menschen zu investieren und nicht alle sind dafür gemacht.
Wenn man aber merkt, dass man diesen Invest gerne macht, dann sollte man sich bewusst darüber sein, welchen Impact man als Führungskraft haben kann. Und welche Erwartungen und Verantwortungen auch damit einhergehen können.
Wichtig ist aus meiner Sicht immer – egal ob Führungskraft oder nicht und egal ob weiblich oder männlich: Man muss sich in seiner Rolle wohl fühlen und immer man selbst sein können. Wenn man anfängt eine Rolle zu spielen oder Dinge zu tun, hinter denen man selbst nicht steht, sollte man es lassen. Das geht auf Dauer nicht gut – weder für das Unternehmen noch für einen selbst.
6. Was können hingegen männliche Führungskräfte oder auch gleichgestellte Kollegen tun, um Frauen dabei zu helfen, ihr Potenzial zu entfalten und zu kompetenten Führungskräften zu werden?
Ich bin letztlich auch hier für offene Kommunikation. Am meisten Antworten bekommt man, wenn man in den direkten Austausch mit den Kolleginnen geht und auch fragt, wo sie hinwollen, ob sie ein Coaching oder eine andere Art von Unterstützung brauchen. Und dann bin ich überzeugt davon, dass man mit Hilfe von konstruktivem Feedback am besten wachsen kann.
Außerdem glaube ich, dass die eigene Biografie immer eine unbewusste Rolle spielt bei Entscheidungen oder Bewertungen. Über eine Bewerbung einer/eines Absolvent:in der dualen Hochschule freue ich mich immer irgendwie ein bisschen. Ich sehe dann eine Gemeinsamkeit und glaube, dass das etwas mit mir macht. Da es diese impliziten Unterschiede immer wieder zu geben scheint, ist es aus meiner Sicht auch ratsam bei Entscheidungen oder Bewertungen einen Check einzuführen und sich explizit zu fragen, ob es, vor dem Hintergrund der Frage, einen unbekannten Bias aufgrund des Geschlechtes gibt.
7. Seit ein paar Jahren wird versucht, über gendergerechte Sprache für mehr Gleichberechtigung zu sorgen. Gleichzeitig gibt es hierzu aber auch kritische Stimmen und möglicherweise auch einen Bogen, den man überspannen kann. Wie ist deine Position zu dem Thema und inwiefern fühlst du dich durch eine gendergerechte Kommunikation mehr angesprochen?
Mit der gendergerechten Sprache geht es mir ähnlich wie mit der Frauenquote. Ich bin kein ausgesprochener Fan, wobei ich den Hintergrund verstehe. Ich selbst habe mich durch unsere bisherige Sprache nie ausgeschossen gefühlt, hatte mir aber auch nie viel Gedanken dazu gemacht, wie viele Begriffe wir bspw. nur in der männlichen Form nutzen.
Ich sehe, dass es Gruppen gibt, die sich nicht angesprochen fühlen und denen das wichtig ist. Das respektiere ich absolut und versuche das auch zu berücksichtigen. Am Ende ist es traurig, dass wir diese Debatten überhaupt führen müssen, denn letztlich drücken sie aus, dass unsere Gesellschaft an dieser Stelle noch nicht so weit ist und es bei Themen rund um Gleichberechtigung in der Umsetzung noch viel Luft nach oben gibt.