In dieser Interviewserie stelle ich 7 Fragen an Führungskräfte, die sprichwörtlich eine Verbindung „nach oben“ pflegen. Es handelt sich hierbei um Personen aus der Kirche und Wirtschaft, die Leadership wohlmöglich noch einmal aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Ich möchte herausfinden, was „Spiritual Leadership“ für sie bedeutet und inwiefern ihr Glaube an Gott ihre Führungstätigkeiten beeinflusst. Darf ich also vorstellen? Mario Pfeiffer, Freelancer im Online Marketing. Er wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…

 

Clemens Lutter

Mario Pfeiffer
Freelancer im Online Marketing

Mario Pfeiffer ist seit Anfang 2021 als Selbstständiger im Bereich Online-Marketing tätig (primär für SEA und SEO) und hat im Juli 2022 eine GmbH gegründet, die sich auf Performance Marketing für Onlineshops spezialisiert. Als gläubiger Christ spielt der Glaube eine zentrale Rolle in seinem Tagesablauf, was auch in seiner Arbeit zum Ausdruck kommt. Zuvor war er knapp sieben Jahre lang für SEA und SEO bei der Swiss International Air Lines und der Lufthansa Gruppe verantwortlich. Während seiner Zeit als Angestellter ergab sich nicht die Möglichkeit ein eigenes Team zu führen, was mitunter der Grund war, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen.

 

1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich als Führungskraft positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?

Für mich sind das in erster Linie zwei Bücher. Zum einen das Buch Wie man Freunde gewinnt von Dale Carnegie, welches sich damit beschäftigt, wie man in zwischenmenschlichen Beziehungen erfolgreich sein und Freundschaften aufbauen kann. Es gibt praktische Tipps und Ratschläge, wie man auf andere Menschen zugeht, Vertrauen aufbaut und respektvoll miteinander umgeht. Zum anderen ist es tatsächlich auch die Bibel. Sie enthält Weisheiten und Lehren für ein erfülltes Leben und beschäftigt sich ebenfalls mit zwischenmenschlichen Beziehungen. Sie betont die Bedeutung von Nächstenliebe, Vergebung und Mitgefühl, um ein friedliches Miteinander zu schaffen und ein sinnstiftendes Leben zu führen. Beide Werke haben also gemeinsam, dass sie sich mit der Kunst des Umgangs mit anderen Menschen beschäftigen und Weisheiten für ein erfolgreiches und erfülltes Leben vermitteln.

Des Weiteren habe ich einige Leadership Bucher auf meiner Liste, die nur darauf warten gelesen zu werden. Darunter sind: Leadership Pain von Samuel R. Chand, Die 5 Dysfunktionen eines Teams von Patrick M. Lencioni, Der Weg zu den Besten von Jim Collins.

 

2. Woran glaubst du bzw. wie würdest du deine Weltanschauung beschreiben?

Ich glaube an Gott und habe eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus. Mein Glaube gibt mir Hoffnung, Sinn und Orientierung im Leben. Ich versuche, mein Leben (privat wie beruflich) nach christlichen Werten und Prinzipien auszurichten, wie zum Beispiel Liebe, Mitgefühl, Ehrlichkeit und Vergebung. Gleichzeitig respektiere ich die Weltanschauungen anderer Menschen und versuche, in persönlichem Austausch Gemeinsamkeiten zu finden und ein friedliches Miteinander zu fokussieren. Das Leid auf dieser Welt ist zu groß, um seine Zeit mit Hass, Missgunst oder Gier zu verschwenden. Ich versuche mich immer wieder, egal wie schwierig die Situationen auch sind, mich auf das Positive auszurichten, anderen Menschen zu helfen und nie aufhören, Gutes zu tun (oder es zumindest immer wieder neu zu versuchen).

 

3. Ist Glaube für dich eine Privatsache? Inwiefern beeinflusst deine Spiritualität deine Rolle als Führungskraft?

Glaube ist für mich in gewisser Weise eine Privatsache, da es meine persönliche Beziehung zu Gott betrifft. Gleichzeitig ist mein Glaube ein wichtiger Bestandteil meines Lebens und beeinflusst auch meine Rolle als Führungskraft. Meine christlichen Werte und Prinzipien haben mir geholfen, eine positive Arbeitskultur zu schaffen und ein gutes Verhältnis zu meinen Freelancern:innen und Kunden:innen aufzubauen. Zum Beispiel versuche ich, meine Entscheidungen und Handlungen im Einklang mit meinen Werten zu treffen und achte darauf, dass ich fair, respektvoll und verantwortungsbewusst agiere. Zudem biete ich meinen Freelancer:innen an, das Gebet in unsere regelmäßigen Calls zu integrieren. Das Gebet ist für mich eine der kraftvollsten Möglichkeiten füreinander einzustehen und Gott bewusst in unsere Anliegen einzubinden. Ich respektiere natürlich die Überzeugungen meiner Mitarbeiter:innen und gestalte eine offene und tolerante Arbeitsumgebung. Sprich, wenn jemand beispielsweise das Gebet nicht wünscht, akzeptiere ich das selbstverständlich. Insgesamt denke ich, dass mein Glaube mir dabei hilft, eine bessere Führungskraft zu sein und mein Unternehmen auf eine Weise zu führen, die mit meinen Werten und Überzeugungen übereinstimmen.

 

4. Wie gehst du mit Menschen um, die andere Glaubensüberzeugungen haben? Wo fühlst du dich mit deinem Glauben manchmal missverstanden und was würdest du dir in diesem Zusammenhang von deinem Umfeld wünschen?

Jeder Mensch hat das Recht, seine eigenen Glaubensüberzeugungen zu haben und ich respektiere dies. Ich versuche immer, offen und tolerant gegenüber Menschen mit unterschiedlichen religiösen Hintergründen zu sein und ihre Überzeugungen zu akzeptieren. Ein offener und respektvoller Dialog ist der beste Weg, um Verständnis und Toleranz zu fördern sowie Gemeinsamkeiten zu finden, anstatt Unterschiede zu betonen. Zudem lerne ich immer gern dazu und möchte meinen Horizont erweitern und nicht einschränken. Beispielsweise weiß ich noch viel zu wenig über andere Religionen, was aber, um auch andere Ansichten zu verstehen, unerlässlich ist.

Manchmal fühle ich mich aufgrund meines Glaubens missverstanden, insbesondere in Bezug auf die Kirche. In der heutigen Gesellschaft hat die Kirche oft kein gutes Image und es werden alle Kirchen über den gleichen Kamm geschert. Als Christ habe ich auch oft das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, wohingegen andere Glaubensrichtungen und Weltanschauen eher akzeptiert und respektiert werden (ist aber natürlich meine subjektive Sicht). Gerade gegenüber dem gemeinsamen Gebet wünschte ich mir mehr Offenheit.

 

5. Sowohl in der Kirche als auch in der Wirtschaft ist Leadership notwendig. Im kirchlichen Kontext gilt es nur häufiger auch ehrenamtliche Mitarbeiter:innen zu leiten. Welchen Unterschied macht es aus deiner Perspektive, ob man als Führungskraft mit Angestellten oder Ehrenamtlichen zusammenarbeitet?

Der Hauptunterschied ist meiner Meinung nach, dass Ehrenamtliche oft ihre Arbeit neben anderen Verpflichtungen und Aufgaben erledigen müssen. Als Leiter:in ist es daher wichtig, ein gewisses Maß an Flexibilität und Verständnis zu zeigen und darauf zu achten, dass die ehrenamtliche Arbeit nicht zu einer zusätzlichen Belastung wird.

Im Allgemeinen ist die Motivation von Ehrenamtlichen hauptsächlich intrinsisch im Gegensatz zu einem bzw. einer Angestellten, da sie ihre Arbeit aus persönlicher Überzeugung und freiwillig leisten. Das bedeutet, dass es als Führungskraft besonders wichtig ist, das Engagement und die Motivation von Ehrenamtlichen zu fördern und sicherzustellen, dass ihre Arbeit wertgeschätzt und gesehen wird. Selbstverständlich achte ich auch bei meinen Freelancern:innen darauf ihre Arbeit wertzuschätzen und ihnen fortlaufend Feedback zu geben. Bei ehrenamtlicher Arbeit ist es aber umso wichtiger.

 

6. Was bedeutet es für dich konkret „geistlich zu führen“? Kannst du mir hier vielleicht von einem persönlichen Beispiel erzählen, was im Zusammenhang mit deiner Führungsposition stand?

Für mich bedeutet „geistlich zu führen“, dass ich als Führungskraft nicht nur die fachlichen und organisatorischen Aspekte im Blick habe, sondern auch die geistliche Dimension. Das heißt für mich, dass ich jeden Morgen und jeweils nach dem Mittagessen ein kurzes Gebet einplane, um Gott bewusst in den Tag zu involvieren. Mit allem, was ich bin und allem, was ich tue möchte ich Gott alle Ehre geben. Dabei kann ich meine sowie die Anliegen meiner Freelancer:innen an Gott abgeben oder sie mit ihm besprechen. Das hilft mir Druck abzubauen und den Fokus auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Wie bereits angesprochen, biete ich meinen Mitarbeiter:innen die Möglichkeit von einem gemeinsamen Gebet Gebrauch zu machen. Für mich soll der regelmäßige Austausch nicht nur genutzt werden, um Arbeitsprozesse zu besprechen oder Ziele zu definieren, sondern auch dafür, dass wir uns als Team gegenseitig unterstützen und ermutigen. Meiner Erfahrung nach, schafft das eine Atmosphäre des Vertrauens und der Gemeinschaft auf einem neuen Level.

 

7. Welche biblische Geschichte, Figur oder Aussage fasziniert dich im Hinblick auf das Thema Führung und könnte für Führungskräfte (ganz egal, ob sie sich selbst als gläubig betrachten oder nicht) ein wertvoller Impuls für ihren Führungsalltag sein?

Die Geschichte von Moses aus Exodus 18,13-22 ist für mich immer wieder ein wichtiger Impuls für meinen Führungsalltag. Moses führte das Volk Israel aus Ägypten und war lange Zeit alleiniger Ansprechpartner für die unterschiedlichsten Anliegen. Die Bibel beschreibt einen Leiter, der von morgens bis abends vom Volk eingenommen wurde und damit völlig überfordert war. Sein Schwiegervater Jitro schlägt ihm dann vor, seine Aufgaben aufzuteilen und andere fähige Männer in Leitungspositionen zu berufen, um so die Last auf mehrere Schultern zu verteilen.

Diese Geschichte zeigt mir, dass es als Führungskraft enorm wichtig ist, sich selbst nicht mit zu vielen Aufgaben zu überfordern und auch andere in Leitungspositionen zu berufen oder zumindest Verantwortungsbereiche zu übertragen. Damit dies gelingt, sind zwei Schritte notwendig. Der erste Schritt ist die Selbsterkenntnis und das Eingestehen, der eigener Grenzen. Der zweite Schritt ist die konkrete Übertragung der Verantwortung sowie das Vertrauen in diese Person.

Da ich mich mit meinen Firmen noch im Aufbau befinde, fällt es mir oft schwer den richtigen Zeitpunkt dafür zu finden. Deshalb ist dieser Vers immer wieder ein wichtiger Anstoß, die bestehende Kompetenzverteilung zu hinterfragen.

 

Bonusfrage: Religion wird gern als „Opium für’s Volk“ verstanden. Doch die Mitgliedszahlen der staatlichen Kirchen gehen von Jahr zu Jahr zurück. Gleichzeitig hört man auch immer wieder Geschichten von kirchlichen Leitern, die ihr Amt missbrauchen oder gar in Missbrauch verwickelt sind. Das Christentum scheint in Europa auf einem Abstellgleis zu stehen. Stimmt dies so aus deiner Sicht überhaupt? Hat die Kirche wohlmöglich ein Führungsproblem?

Das ist natürlich eine sehr komplexe Frage und würde wahrscheinlich mehrere Seiten benötigen, um es ansatzweise beantworten zu können. Um es abzukürzen und deine Leser zu verschonen, würde ich aber sagen, dass gut ausgebildete (und sich stets weiterbildende) Führungskräfte essenziell für eine gesunde Kultur innerhalb einer organisierten Struktur sind, sei es in der Politik, Privatwirtschaft, Vereinen oder eben in Kirchen.

Gerade als Kirche, die wirklich nach dem Herz Gottes leben möchte, gehört das Eingestehen von Fehlern zu den Grundprinzipien. Genauso wie das Ergreifen von notwendigen Maßnahmen, um eine Wiederholung von Fehlern zu vermeiden. Damit dies sichergestellt werden kann, sind fähige Leiter unerlässlich sowie interne Strukturen, die fähige Leiter hervorbringen. Sich selbst und seine Funktion in einem System – sei es Verein, Kirche oder Beruf stetig zu hinterfragen ist unerlässlich. Immer wieder neue Menschen in einen festgefahren Ablauf zu integrieren hilft, selbst nicht betriebsblind zu werden. Veränderungen sind gut und setzen immer neue Prozesse in Gang, die fast ausschließlich positive Resultate nach sich ziehen.

Aus meiner persönlichen Wahrnehmung empfinde ich nicht, dass das Christentum auf dem Abstellgleis steht. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl seit Corona befindet sich Vieles in einem positiven Umbruch und die Menschen sind wieder offener gegenüber dem Glauben. Wenn mir das deine Leser:innen nicht glauben, dann sollten sie mal zu uns in die Kirche kommen, da wächst gerade eine echt starke geistliche Generation heran.

 

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