In dieser Interviewserie stelle ich 7 Fragen an Führungskräfte, die sprichwörtlich eine Verbindung „nach oben“ pflegen. Es handelt sich hierbei um Personen aus der Kirche und Wirtschaft, die Leadership wohlmöglich noch einmal aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Ich möchte herausfinden, was „Spiritual Leadership“ für sie bedeutet und inwiefern ihr Glaube an Gott ihre Führungstätigkeiten beeinflusst. Darf ich also vorstellen? Andreas Wander, Director Consulting der i22 Digitalagentur. Er wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…
Andreas Wander
Director Consulting der i22 Digitalagentur
Andreas Wander ist bei der i22 Digitalagentur als Director Consulting aktiv und begleitet dort die Schnittstelle zwischen Kundenakquise und dem Einphasen neuer Projekte. Als Führungskraft konnte er nun seit fast einem Jahrzehnt an unterschiedlichen Stationen Erfahrungen sammeln. Aus seiner Erfahrung, gehört dazu aber auch der Transfer von „geführt werden“ in die eigene Führungs- und Vorbildrolle. Seine gemachten Erlebnisse stuft er als weitestgehend positiv ein, wobei eben auch das geistliche Umfeld eine wichtige Rolle für ihn spielt.
1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich als Führungskraft positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?
Aktuell fokussiere ich mich auf „snackable Contents“, um mich in dieser Frage inspirieren zu lassen. Ich empfehle hierbei folgende Personen:
- The Diary of a CEO von Steven Bartlett. Für mich geht es hier um die Ehrlichkeit, die die Personen zeigen und wie wichtig es ist, Authentizität zu zeigen. Das ist nämlich nicht immer einfach und oft auch leichter zu überspielen als die eigenen Karten auf den Tisch zu legen.
- Jay Shetty mit seinen Büchern und Impulsen rund um Akzeptanz, das Leben und die Liebe. Mir wird da auch öfter mal der Spiegel vorgehalten und das ist nicht immer angenehm aber (immer) gut.
- Simon Sinek ist meine dritte Empfehlung. Ich mag seine positive motivierende Art und auch das „amerikanische“ in seinen Überlegungen und Impulsen.
Was ich mehr oder weniger bewusst vermeide, ist es bestimmten Personen zu folgen oder Medien zu konsumieren, die sich zu faktisch oder sogar manipulativ mit dem Thema Führung befassen. Aus meiner Sicht ist Führung eben der Fokus auf die zwischenmenschlichen Aspekte. Was allerdings gut helfen kann, wenn man sich mit dem Thema der Gruppensysteme befasst.
2. Woran glaubst du bzw. wie würdest du deine Weltanschauung beschreiben?
Meine Weltanschauung ist christlich geprägt. Erst normal evangelisch sozialisiert, später aus der Kirche ausgetreten und nun freikirchlich geprägt.
3. Ist Glaube für dich eine Privatsache? Inwiefern beeinflusst deine Spiritualität deine Rolle als Führungskraft?
Zuerst möchte ich klarstellen, dass Glaube viele Facetten hat. Auch ein Atheist, Nihilist oder was auch immer, haben meist einen sehr starken und oft extrovertierten Glauben. Nicht allein der Glaube an einen Gott, sondern jede Weltanschauung geht mit bestimmten Werten einher.
Daher denke ich, dass jede Form der Spiritualität (m.E. ist auch Nicht-Spiritualität eine Form davon) auch eine Auswirkung auf das hat, was man tut. Daher klares sage ich klar „Ja“ dazu, dass meine Rollen, die ich im Leben einnehme werden, auch davon geprägt sind.
4. Wie gehst du mit Menschen um, die andere Glaubensüberzeugungen haben? Wo fühlst du dich mit deinem Glauben manchmal missverstanden und was würdest du dir in diesem Zusammenhang von deinem Umfeld wünschen?
Ich hoffe, dass ich mit jedem Menschen, unabhängig seines Glaubens ganz normal, respektvoll und höflich umgehe. Am Ende sind wir doch alles nur Menschen, die gehört, verstanden und wahrgenommen werden wollen.
Missverstanden fühle ich mich eigentlich nur in sehr wenigen Fällen – vor allem dann, wenn man mit seinem Gegenüber nicht in einen guten Austausch über eventuelle unterschiedliche Sichtweisen kommt und das passiert, was wir alle schon erlebt haben: Dass es am Ende nur noch darum geht mit möglichst aggressiven Mitteln die andere Person zu überzeugen.
Was ich gar nicht ab kann – und das bezieht sich wirklich auf alle Glaubensrichtungen: Wenn man seinen Glauben als Grund vorschiebt, um ein nicht zu rechtfertigendes Verhalten auszuleben.
5. Sowohl in der Kirche als auch in der Wirtschaft ist Leadership notwendig. Im kirchlichen Kontext gilt es nur häufiger auch ehrenamtliche Mitarbeiter:innen zu leiten. Welchen Unterschied macht es aus deiner Perspektive, ob man als Führungskraft mit Angestellten oder Ehrenamtlichen zusammenarbeitet?
Erstmal sehe ich hier keinen Unterschied. Es sind für mich einfach nur andere Rahmenbedingungen, die man als Führungskraft berücksichtigen muss (z.B. zeitliche Ressourcen, die investiert werden). Ansonsten steht eben das Team und was man zusammen erreichen kann bzw. im Beruflichen auch muss, im Mittelpunkt. Der Austausch als Team und der Umgang miteinander sollte aber in jedem Fall wertschätzend und respektvoll sein.
Natürlich gibt es im beruflichen Kontext auch immer die Option eine Anweisung zu geben. Dies ist aber etwas, was man m.E. nur selten braucht, wenn man als Führungs- und Vorbildfunktion positiv vorangeht und man dadurch sich auch eine Art natürlichen Respekt verdient hat.
6. Was bedeutet es für dich konkret „geistlich zu führen“? Kannst du mir hier vielleicht von einem persönlichen Beispiel erzählen, was im Zusammenhang mit deiner Führungsposition stand?
Hier kommen verschiedene Aspekte zusammen. Zum einen denke ich, dass jeder Mensch in Verantwortung ein Stück „geistlich führt“, da die eigenen Gedanken, das Weltbild usw. ja einen konkreten Einfluss haben, wie man eine Person wahrnimmt und welche Werte in eine Situation eingebracht werden.
Auf der Grundlage meines christlichen Menschenbildes, versuche ich natürlich den Menschen ganzheitlich zu führen, d.h. neben den konkreten Arbeitsleistungen und Aufgaben eben auch das geistliche und emotionale Erleben im Blick zu haben und darauf einzugehen. Wichtig dabei ist es aus meiner Erfahrung eben auch die Selbstverantwortung der Mitarbeiter:innen dabei im Blick zu haben und auch zu fördern.
Im Arbeitsumfeld habe ich das geistliche Führen im Kontext der Frage so noch nicht erlebt, eher im Ehrenamt innerhalb des kirchlichen Raumes. Allerdings hatte ich schwierige Situationen in meinem Leben zu überstehen, bei denen mich meine Vorgesetzten sehr häufig sehr wertschätzend unterstützt haben. Und das ist dann eben unabhängig vom eigentlichen Glauben eben auch eine geistliche Führung, die in jedem Menschen innewohnen kann.
7. Welche biblische Geschichte, Figur oder Aussage fasziniert dich im Hinblick auf das Thema Führung und könnte für Führungskräfte (ganz egal, ob sie sich selbst als gläubig betrachten oder nicht) ein wertvoller Impuls für ihren Führungsalltag sein?
Hier komme ich gerne auf die Geschichte Davids zurück. Sicherlich viel zu lange um auf alle Aspekte, gute und schlechte Seiten einzugehen. Zwei wichtige Punkte aus meiner Sicht:
- David hat eine einige extreme Fehler begangen, war sich aber am Ende nicht zu schade sich den Konsequenzen zu stellen. D.h. Verantwortung übernehmen und sich der Situation stellen.
- Als geistiger Führer seiner Zeit ist er auch in den Interpretationen über jeden Zweifel erhaben.
- Als politischer Führer jedoch, gibt es ja durchaus aber auch andere Meinungen. Was ich daraus lerne, dass es sehr wichtig ist, dass das Denken und Handeln in Einklang stehen und sich daraus eine authentische Person entwickelt.
Auch hier gilt wieder, dass man komplexe Geschichten auch komplex betrachten muss, um dann eine differenzierte Meinung haben zu können.
Bonusfrage: Religion wird gern als „Opium für’s Volk“ verstanden. Doch die Mitgliedszahlen der staatlichen Kirchen gehen von Jahr zu Jahr zurück. Gleichzeitig hört man auch immer wieder Geschichten von kirchlichen Leitern, die ihr Amt missbrauchen oder gar in Missbrauch verwickelt sind. Das Christentum scheint in Europa auf einem Abstellgleis zu stehen. Stimmt dies so aus deiner Sicht überhaupt? Hat die Kirche wohlmöglich ein Führungsproblem?
Ich muss zugeben, dass ich mit dem Konstrukt der klassischen christlichen Kirchen (ob evangelisch oder katholisch) schon sehr lange nicht mehr befasse, da ich kein Anhänger bin, wie dort der lebendige Glaube ausgeübt wird. Von außen betrachtet muss ich diese Frage aber auf jeden Fall bejahen, es gibt hier ein klares Führungsproblem.
In jedem System, das auf klare Strukturen setzt, von der klassischen Kirche über Sportvereine usw. kann es an Transparenz und Offenheit fehlen, da sich hier leichter eine gewissen Deckungsmentalität einschleichen kann. Je offener und klarer man mit Fehlern umgeht, desto leichter kann es für alle Beteiligten werden. Am Ende steht auch immer der Schutz der Opfer im Mittelpunkt.
Ob das Christentum in Europa auf dem Abstellgleis ist, fällt mir schwer einzuschätzen. Ich erlebe besonders in den Freikirchlichen Gemeinden einen hohen Andrang, da die Menschen besonders aktuell nach Sicherheit, Stabilität und Geborgenheit suchen, aus der man sich auch den Optimismus für die Zukunft zieht.