In dieser Interviewserie stelle ich 7 Fragen an Führungskräfte-Coaches. Hierdurch bekommst du Einblicke über das Thema Leadership von Personen, die vielfältige Führungspersönlichkeiten und ihre Unternehmen begleiten können. Es lohnt sich also definitiv! Darf ich also vorstellen? Laura Heggen. Sie wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…
Laura Heggen
Laura Heggen bringt über zehn Jahre Erfahrung in HR-Tech-Startups mit und hat in verschiedenen Rollen mit ihrem Team nationale und internationale Kunden gewonnen und betreut. Als Coachin schätzen ihre Klient:innen ihre zugängliche und herzliche Art. Sie scheut sich jedoch nicht, ehrliches Feedback zu geben, wenn es ihren Klienten:innen hilft, daran zu wachsen. Laura arbeitet oft mit Menschen zusammen, die ihre Karriere auf die nächste Stufe bringen wollen, aber gleichzeitig von persönlichen oder familiären Verpflichtungen eingeholt werden. Sie hilft ihnen, ihre Zeit und ihren Einsatz in Einklang zu bringen, ihre beruflichen Stärken zu entdecken und in neue Führungsrollen zu wechseln oder ein eigenes Unternehmen zu gründen.
1. Welches Buch, Blog oder welchen Podcast sind aus deiner Perspektive hilfreich für Führungskräfte und würdest du weiterempfehlen?
Am liebsten höre ich persönlich Podcasts, weil ich sie gut in meinen beruflichen und privaten Alltag integrieren kann. Ich schätze den HBR IdeaCast von Harvard Business Review als reiche Inspirationsquelle, weil dort jede Woche eine neue Perspektive auf Aspekte von Management und Führung geworfen wird. Nebenbei bleibt mein Englisch frisch.
2. Was ist für dich der Unterschied zwischen einem/einer Coach:in und einem Mentor:in? Und ab wann sollte jede Führungskraft sich den/die eine:n oder andere:n suchen?
Ein häufiges Missverständnis ist, dass Coaching erst dann “verordnet” wird, wenn auffällt, dass das Führungsverhalten nicht die gewünschten Erfolge erzielt und stattdessen Konflikte oder Unsicherheiten im Team auftreten. Dabei sollte Coaching meiner Meinung nach jeder neuen Führungskraft zugänglich gemacht werden, um Führungsqualitäten zu entwickeln und individuelle Herausforderungen zu meistern. Auch erfahrene Führungskräfte profitieren natürlich davon, ihr Verhalten zu reflektieren und ihren Führungsstil bewusst weiter auszubilden.
In Abgrenzung zum Coaching handelt es sich beim Mentoring nicht um eine professionelle eingekaufte Dienstleistung. Ein:e Mentor:in ist in den meisten Fällen eine erfahrene Person, die einem weniger erfahrenen Mitglied ihrer Organisation Ratschläge und Unterstützung bietet, um dessen Karriereentwicklung zu fördern. Ein:e Mentor:in teilt Erfahrungen und Branchenkenntnisse und kann hilfreiche Kontakte vermitteln.
3. Als was siehst du dich und wie stellst du sicher, dass du für deine Klient:innen einen Mehrwert lieferst? Muss deiner Meinung nach ein:e Coach:in oder ein:e Mentor:in selbst Profi als Führungskraft sein, um Führungskräfte begleiten zu können?
Als systemische Coachin stelle ich gezielte Fragen, höre aufmerksam zu und gebe Feedback, um meinen Klienten:innen dabei zu helfen, ihre Fähigkeiten und Kompetenzen zu verbessern und ihre Ziele zu erreichen. Ich sehe meine Rolle darin, eine unterstützende, nicht-wertende und förderliche Umgebung zu schaffen, in der sie sich wohlfühlen können und Lernen gelingt. Ich helfe dabei, blinde Flecken zu reduzieren und eigene und fremde Erwartungen zu reflektieren.
Wichtigste Voraussetzungen für einen erfolgreichen Coaching-Prozess sind Freiwilligkeit und ein konkretes Anliegen, das bearbeitet werden kann. Um darüber hinaus sicherzustellen, dass mein Coaching einen Mehrwert für meine Klient:innen bietet, frage ich regelmäßig nach Feedback.
Um Führungskräfte begleiten zu können, ist es sicherlich von Vorteil, wenn der oder die Coach:in über eigene Führungserfahrung verfügt und die Herausforderungen, die mit der Rolle verbunden sind, versteht. Aus meiner Sicht ist es jedoch vor allem wichtig, dass der oder die Coach:in über fundierte Kenntnisse und Fähigkeiten im Coaching verfügt, um effektive Unterstützung zu bieten.
4. Was macht erfolgreiche Führung für dich aus? Und was würdest du Menschen raten, die das Ziel haben, sich in eine Führungsposition zu entwickeln?
Für mich bedeutet erfolgreiche Führung, dass eine Führungskraft in der Lage ist, das Team zu motivieren und zu inspirieren, um gemeinsam Ziele zu erreichen und innovativ zu bleiben. Eine gute Führungskraft kommuniziert klar und unterstützt ihre Teammitglieder dabei, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Sie agiert dabei transparent und empathisch und steht zu eigenen Fehlern.
Menschen, die das Ziel haben, sich in eine Führungsposition zu entwickeln, würde ich dazu anregen, sich sowohl ihrer beruflichen als auch ihrer persönlichen Entwicklung zu widmen. Dazu gehört es zum einen, die eigenen Stärken und Schwächen zu kennen und zum anderen das fachliche und organisationale Wissen zu vertiefen und sich Führungsfertigkeiten, wie z.B. Kommunikationsfähigkeit oder Konfliktmanagement anzueignen. Praktische Erfahrungen mit Führungsaufgaben können beispielsweise in einem Ehrenamt gesammelt werden. Selbstverständlich kann auch ein:e Coach:in oder Mentor:in die Entwicklung zur Führungskraft unterstützen.
5. Mit welchen Tools (Frameworks, Tests usw.) arbeitest du gern und warum sind diese für die Arbeit von/mit Führungskräften ein Gewinn?
Als Coachin nutze ich eine Vielzahl von Methoden und Frameworks, um meine Klient:innen dabei zu unterstützen, ihre Führungs- und Managementfähigkeiten zu verbessern und ihr Team zu empowern.
Das GROW Modell beispielsweise wird verwendet, um Führungskräften bei der Zielsetzung und -verfolgung zu helfen. Dabei steht die Abkürzung für:
- G – Goal Setting
- R – Reality Check
- O – Options
- W – Will
Das Framework unterstützt Führungskräfte dabei, klare, spezifische und messbare Ziele zu setzen und Mittel und Wege zu finden, um sie zu erreichen. Es schärft die Wahrnehmung und das Bewusstsein und ermutigt, Verantwortung für die eigenen Ziele zu übernehmen. Nachdem Führungskräfte die Methode verinnerlicht haben, können sie sie mit ihrem eigenen Team anwenden.
Letztendlich ist es mir wichtig, dass die Anwendung der Methode nicht zum Selbstzweck gerät, sondern dass ich individuell auf meine Coachees eingehe und je nach Bedarf und Zielsetzung passende Tools und Frameworks einsetze. Eine vertrauensvolle Beziehung zum Coachee aufzubauen und gute Fragen zu stellen, um den Coachee zur Selbstbeobachtung und -reflexion anzuregen, steht für mich im Vordergrund.
6. Man sagt: „Führung fängt mit Selbstführung an.“ Was bedeutet Selbstführung für dich und was gilt es hier für Führungskräfte zu tun. Inwiefern kannst du bestätigen, dass mangelnde Selbstführung direkte, negative Konsequenzen auf die Führung von anderen Menschen hat?
Selbstführung bedeutet für mich, dass eine Führungskraft in der Lage ist, ihre eigenen Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen bewusst zu steuern und dabei auf ihre Werte und Ziele ausgerichtet zu bleiben. Dazu gehört auch die Fähigkeit, sich selbst zu motivieren, Prioritäten zu setzen und Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Nur wer sich selbst gut kennt und eigene Grenzen wahrt, kann andere dabei unterstützen, ihr volles Potential auszuschöpfen.
Für Führungskräfte bedeutet das, dass sie regelmäßig Zeit und Raum für sich selbst – für Selbstreflexion und Entwicklung – einplanen sollten, um besser mit Stress und Unsicherheit umzugehen und in schwierigen Situationen einen klaren Kopf zu bewahren. Perfektionismus und überhöhte Erwartungen an sich selbst und andere können langfristig überfordern und zu Frustration und Demotivation führen. Gute Selbstführung bzw. Selbstfürsorge ist daher eine wichtige Grundlage für erfolgreiche Führung.
7. Wenn man sich Statistiken anschaut, dann ist der/die Chef:in eines/einer der am häufigsten genannten Kündigungsgründe. Das klingt danach, dass viele Führungskräfte ihren Führungsjob nicht gut machen und ihrer ihrer Rolle bzw. den Erwartungen ihrer Mitarbeiter:innen nicht entsprechen. Ist dem denn wirklich immer so? Was muss sich hier ggf. ändern?
Es ist tatsächlich wahr, dass Führungskräfte oft als einer der Gründe für Kündigungen genannt werden. Es ist jedoch nicht immer der Fall, dass die Führungskraft ihren Job nicht ernst nehmen oder nicht gut machen wollen. In meiner Praxis erlebe ich eher, dass Führungskräfte nicht mit genügend Zeit oder Ressourcen ausgerüstet sind, um ihr Team angemessen zu betreuen und zu führen.
In einem solchen Fall ist es für die Führungskraft m.E. nach hilfreich, transparent zu kommunizieren und sicherzustellen, dass alle im Team verstehen, was von ihnen erwartet wird und sich in ihrer Rolle geschätzt fühlen, damit organisationale Hürden nicht zu interpersonellen Konflikten führen. Denn eine offene Kommunikation und eine positive Arbeitsumgebung können dazu beitragen, dass Mitarbeitende ihre Führungskräfte als effektiv und unterstützend empfinden und somit die Wahrscheinlichkeit von Kündigungen reduzieren. In jedem Fall ist es hilfreich, regelmäßig Feedback zur Zufriedenheit und zum Führungsverhalten von Teammitgliedern einzuholen.
Bonusfrage: Erst die Pandemie, dann der Krieg in der Ukraine und damit einhergehend instabile Lieferketten, Inflation, Rezession und gleichzeitig auch Arbeitskräftemangel und Fluktuationswellen. Keine einfache Zeit für Führungskräfte. Was ist in Zeiten wie diesen im Hinblick auf das Thema Führung ganz besonders wichtig?
In Zeiten wie diesen ist es besonders wichtig, eine klare Vision und Strategie zu haben. Dies gilt natürlich vor allem für das Top Management. Durch den Fachkräftemangel und die volatilen wirtschaftlichen Bedingungen, die die geopolitische Lage mit sich bringt, gilt es dabei jedoch zu akzeptieren, dass Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen werden müssen. Organisationen müssen daher mehr denn je in der Lage sein, schnell auf Veränderungen zu reagieren und ihre Strategien und Pläne gegebenenfalls anzupassen.
Für Führungskräfte wird es daher immer wichtiger, transparent und effektiv zu kommunizieren, damit sich Mitarbeitende trotz der schwierigen Umstände weiterhin engagieren und produktiv bleiben. Darüber hinaus sollten Führungskräfte besonderes Augenmerk darauf legen, ihre direkten Teammitglieder zu unterstützen und ihnen zu helfen, mit den Herausforderungen umzugehen, denen sie möglicherweise persönlich gegenüberstehen, wie beispielsweise familiäre Betroffenheit, gesundheitliche oder mentale Probleme. Dies kann im Rahmen regelmäßiger 1:1 Gespräche geschehen. Im besten Fall gibt es in Organisationen auch externe Beratungs- und Unterstützungsangebote für Mitarbeitende.