In dieser Interviewserie stelle ich 7 Fragen an Führungskräfte aus Agenturen aus dem Bereich Digitales Marketing. Hierdurch lernst du die Leads und ihre Agenturen von einer neuen Seite kennen und erhälst durch ihre Antworten Impulse für die Leitung deines eigenen Teams. Es lohnt sich also definitiv! Darf ich also vorstellen? Johan von Hülsen, Gründer und Geschäftsführer bei Wingmen – Er wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…
Johan von Hülsen
Gründer & Geschäftsführer bei Wingmen
Johan ist SEO, Gründer und Geschäftsführer von und bei Wingmen Online Marketing GmbH aus Hamburg. Johan steht auf SEO mit Strategie und arbeitet am Liebsten mit anderen SEO-Expertinnen und Experten als Ansprechpartner. Bei Wingmen arbeiten 15 SEOs von denen Johan einer ist. Und auch wenn er weiß, dass es eigentlich falsch ist, ist er stolz darauf 90% seiner Arbeitszeit für Kunden zu verwenden und nur 10% für die Geschäftsführung. Das klappt aber, weil das Team sich in weiten Teilen selbst führen kann und will. In seiner Freizeit bastelt Johan mit Holz und spielt mit seinen Kindern.
1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich als Führungskraft positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?
Es schadet sicher niemandem die Kritik der praktischen Vernunft von Emanuel Kant zu lesen. Und sich damit kritisch auseinander zu setzen. Keine Ahnung, ob einen das zu einer besseren Führungskraft macht. 😉
Im Ernst, ich kann mich nicht erinnern schon mal ein Buch über Führung gelesen zu haben. Deshalb hab ich Bücher über Führung gegoogelt. Von den Büchern, die der Knowledge Graph anzeigt habe ich tatsächlich Keines gelesen. Von denen aus den PLA klang “Geile Eier” aus dem Manufactum-Shop eigentlich ganz vielversprechend. 😉
Ernsthaft: Zum Thema Führung muss ich mich wohl nochmal professionalisieren. Bisher versuche ich es mit reflektieren und gesundem Menschenverstand. Aber manchmal wäre etwas Struktur hilfreich. Danke für den Impuls.
2. Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben und welche Erwartungen impliziert dies auf deine Mitarbeiter?
Wahrscheinlich ist der Stil am besten mit intuitiv beschrieben. Ehrlich: Ich bin als SEO besser als als Führungskraft.
Ich erwarte von meinen Wingmenschen, dass sie selbst Entscheidungen treffen aber zu mir kommen, wenn sie sich unsicher sind. Das Wichtige ist dann, dass ich merke, dass sie sich selbst schon Gedanken gemacht haben. Wenn nicht habe ich Probleme ruhig zu bleiben. Denn letztlich zeigt es, dass sie meinen Hang zum „Ja sagen“ durchschaut haben und meine Zeit nicht wertschätzen.
Am Ende bin ich SEO und brenne für das Thema. Das heißt: Ich bin für fachliche Fragen immer zu haben. Aber manchmal gehen da die Gäule mit mir durch. Das macht es gelegentlich nicht ganz einfach mit mir. Denn ich bin nicht unbedingt der mit dem besten emotionalen Gehör.
3. Wie sieht euer Bewerbungsprozess aus und was sind deine liebsten Fragen in einem Bewerbungsgespräch?
Der Bewerbungsprozess ist einfach. Erst ein Gespräch mit einem der Geschäftsführer und weiteres Team-Mitglied für den fachlichen Check.
Danach ein weiteres Gespräch mit dem gesamten Team. Die Kernfrage, die danach jeder Wingmensch beantworten sollte: Hättest Du Lust mit dieser Person einen Workshop für einen Kunden in der Schweiz vorzubereiten und gemeinsam durchzuführen inklusive An- und Abreise. Mindestens einer sollte von dieser Aussicht begeistert sein. Und niemand sollte komplett dagegen sein, das ist klar.
Meine Lieblingsfragen gehen in Richtung Arbeitsweise. Bist Du wie ich und springst mit viel Begeisterung auf jede Aufgabe und hast dann Schwierigkeiten sie zu Ende zu bringen? Oder bist Du ein geplanter, serieller Typ? Friemelst Du Dich erstmal selbst irgendwo rein oder bist Du am Besten, wenn Du mit anderen zusammen Ideen entwickelst. Bist Du eher der Zahlen-, Dokumentations- oder Powerpoint-Mensch?
4. Wie sieht euer Onboardingprozess aus und wie sorgst du persönlich dafür, dass neue Mitarbeiter sich in deinem Team wohlfühlen?
Ein Willkommen organisiert das Team. Inzwischen haben wir Paten, die für ein herzliches Hallo und eine grobe Orientierung sorgen und in den ersten Wochen da sind, um Probleme zu adressieren.
Ich versuche mir am Anfang vor allem persönlich Zeit zu nehmen. Eventuell mal in Ruhe essen zu gehen und den Menschen kennen zu lernen. Wir sind ein kleines Team, da ist es hilfreich, wenn man eine persönliche Basis zwischen den Team-Mitgliedern hat. Gleichzeitig entschärft es ein wenig die Spannungen, wenn ich in den ersten Monaten Feedback gebe, wenn mir Dinge noch nicht so gut gefallen haben oder ich Verbesserungsvorschläge habe.
5. Wie sieht eure Feedback(gesprächs)kultur aus und wie sorgst du persönlich dafür, dass deine Mitarbeiter sich weiterentwickeln?
Wir haben eine recht offene Team-Feedback-Kultur. Alle 1-2 Monate machen wir eine Retro in der wir unsere Team-Performance und Verbesserungsmöglichkeiten diskutieren.
Wir versuchen alle Wingmenschen zu ermutigen Vorschläge einzubringen. Und wir probieren gerne neue Tools, Prozesse und Ideen aus.
Soweit ich das mitbekomme pusht das Team sich gegenseitig sehr gut mit Feedback. Ich versuche mein Verbesserungs-Feedback zu dosieren. Für Lob haben wir einen öffentlichen Prozess. Jeden Freitag gehen wir das Lob der Kollegen untereinander gemeinsam durch. Das ist klingt erstmal seltsam, funktioniert aber erstaunlich gut.
6. Welche Herausforderung siehst du in der Remote-Führung und wie gehst du damit persönlich um?
Wir sind seit dem 13.03.2020 zu 100% im HomeOffice. Remote-Führung muss damit arbeiten, dass zufällige Kontakte seltener sind.
Überdurchschnittliche Technik bei jedem Wingmenschen hilft virtuelle Gespräche echter wirken zu lassen. Und wir achten bei online Meetings noch stärker als bei Offline Meetings darauf, dass die Meetings vorbereitet sind. Virtuelle Brainstormings haben wir etwa abgelöst durch asynchrone Sammlungen in Google Docs, die dann “nur noch” besprochen und gemeinsam sortiert werden. Das hat Vorteile: Jeder kommt zu Wort und insgesamt steigt die Effizienz. Man muss weniger Zeit in Calls verbringen.
Trotzdem fehlt Remote immer etwas. Niemand hat Lust den ganzen Tag vor der Kamera zu verbringen und so sind Team-Veranstaltungen selten. Zufällige Kaffee-Dates helfen, aber auch nur zum Teil. Wir versuchen das durch ausführliche 1:1 Essens-Dates offline ein Stück zu kompensieren. Das hilft im Verhältnis Führungskraft / Wingmensch. Aber es ist noch keine Lösung für das Teamgefüge. Dafür brauchen wir persönliche Team-Events. Auch hier experimentieren wir.
Remote fehlt ein wesentlicher Eindruck, wie es unseren Wingmenschen geht. Flo riecht offline auf 30m ob die Katze der Mutter eines Mitarbeiters krank ist. Da hier Kontakte fehlen ist eine offene Feedback-Kultur und das Vertrauen des Teams, dass man frühzeitig mit Problemen zu einem kommen kann die größte Herausforderung und das wichtigste Arbeitsfeld einer Remote-Führungskraft (zumindest bei einem motivierten Team).
7. Welche Herausforderungen siehst du in den kommenden Jahren im Bereich Führung allgemein auf uns im Agenturbusiness als auch persönlich auf dich zukommen?
Das Problem Nummer 1: Fachkräftemangel. Schon jetzt ist es unheimlich schwer die richtigen Leute zu finden. Wir sind in der glücklichen Situation, dass viele Lust haben bei uns zu arbeiten. Aber erfahrene SEOs sind selten. Für Agenturen kommt der Wettbewerb mit den Unternehmen dazu.
Das Problem Nummer 2: Spezialisierung. Unser Spielfeld wird immer komplexer. Die Anforderungen an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steigen. Wir brauchen immer stärkere Spezialisten, immer tieferes Know How und immer mehr Führung, die inhaltlich weniger Ahnung hat. Für Führungskräfte, die über das fachliche kommen (wie ich) wird das eine enorme Umstellung.
Das Problem Nummer 3: Wanderlust. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen einen Arbeitsplatz der zu ihren Wünschen, Träumen und Lebensrealitäten passt. Zusammen mit einem Überangebot von Arbeitsplätzen führt es dazu, dass Niemand gezwungen ist einen harten Weg zu gehen. Wie heißt es so schön: Nach 3 Jahren hat jede Führungskraft das Team, dass sieca verdient. Und für die meisten Kündigungen ist die Führungskraft verantwortlich und die fehlende oder falsche Feedbackkultur. Die Toleranzschwelle hier wird noch weiter absinken.