In dieser Interviewserie stelle ich 7 Fragen an Führungskräfte aus Agenturen aus dem Bereich Digitales Marketing. Hierdurch lernst du die Leads und ihre Agenturen von einer neuen Seite kennen und erhälst durch ihre Antworten Impulse für die Leitung deines eigenen Teams. Es lohnt sich also definitiv! Darf ich also vorstellen? Beate Müller, Managing Director bei Dept am Standort Berlin – Sie wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…

 

Beate Müller

Beate Müller
Managing Director bei Dept

Bei ehemals Trust Agents als Head of Business Operations in 2015 gestartet, leitet Beate Müller als Geschäftsführerin von Dept den Standort Berlin mit über 120 Mitarbeitern. Hierbei ist sie vor allem verantwortlich für die Bereiche People & Operations. Zuvor sammelte Beate Erfahrungen in Bereich Affiliate Marketing bei Lieferando sowie agierte als Head of Client Services bei Deltamethod.

Dept ist eine internationale Digitalagentur mit über 2000 erfahrenen Denkern & Machern. Eine Agentur, die Kreativität, Technologie und Daten miteinander vereint.

 

1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich als Führungskraft positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?

Ich kann das Magazin Neue Narrative – das Magazin für Neues Arbeiten sehr empfehlen. Ein Evergreen ist Führen, Leisten, Leben von Malik und ein persönlicher Augenöffner war für mich auch das Buch Der 2-Stunden-Chef von Insa Klasing. Nach dem Lesen dieses Buches hab ich mir erstmal eine Arbeits-Auszeit von 4 Wochen genommen ;).

Leicht verdaulich und spielerisch an das Thema heranführend finde ich auch die Bücher von Patrick Lencioni. Als nächstes steht Mythos Führungskraft: Konzepte, Tugenden, Erfolgsgeheimnisse auf der Liste. Man sieht – ich bin Kategorie Leseratte.

 

2. Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben und welche Erwartungen impliziert dies auf deine Mitarbeiter?

Ich glaube an “Fordern und Fördern”. Eine Führungskraft muss beides vereinen und eine gute Balance finden. Ich bin auch überzeugt und ein großer Fan von selbstverantwortlichen Arbeiten und versuche jede:n darin zu befähigen, Verantwortung zu übernehmen und zu verstehen, welche Rechte und Pflichten damit einher gehen. Ich glaube auch fest an die Kraft und Macht der Gruppe – daher versuche ich das Individuum mit seinen Stärken in der Gruppe sichtbar und wirksam zu machen.

Meine Ansicht, dass es im Leben nur horizontale Beziehungen geben sollte, prägt sicherlich auch meinen Umgang mit dem Team. Somit finde ich es unabdingbar, dass man sich auf Augenhöhe begegnet, egal welchen Titel oder Erfahrungsschatz jemand inne hat.

 

3. Wie sieht euer Bewerbungsprozess aus und was sind deine liebsten Fragen in einem Bewerbungsgespräch?

Der Bewerbungsprozess unterscheidet sich je nach Stelle und auch Hiring-Manager-Erfahrung. Die mögliche Anwendung des Active Sourcings liegt beim Recruiting Team, aber natürlich nutzen auch die Dept Kolleg:innen ihr Netzwerk und promoten Stellen oder fragen potentielle Kandidat:innen persönlich an. Ich persönlich lege die Vorauswahl als auch das Erst-Kennenlernen (Call von 20 bis 30 Minuten um gegenseitige Erwartungen abzugleichen) gerne komplett in die Hände meines Recruiter-Sparrings und klinke mich dann erst wieder beim ausgiebigen Kennenlernen ein. Ich bin ein großer Freund von Case-Bearbeitungen, weil durch das Gespräch einfach zu wenig ersichtlich wird, wie die Arbeitsweise des Gegenübers ist. Eine liebste Frage kann ich gar nicht so nennen, weil es komplett von der Stelle, dem gesuchten Erfahrungslevel und dem/der Gesprächspartner:in und dem Gesprächsfluss abhängig ist, aber was ich gerne mag sind Simplifizierungsfragen. Unsere Umwelt ist ja so komplex – das ist ja der Wahnsinn. Was wir hier als Agentur brauchen, sind Menschen mit der Fähigkeit diese Komplexität zu reduzieren und für Klarheit beim Kunden oder zum Beispiel den Prozessen zu sorgen. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: “Wie würdest Du Deiner 6-Jährigen Cousine den Bereich Client Services beschreiben?”

Die Aufgabe im Recruiting als Führungskraft sehe ich vor allem darin, das Team richtig aufzustellen. Je nach Herausforderung oder Aufgabenbereich kann das anders aussehen, aber gerade bei uns im Agenturumfeld mit vielschichtigen Kundenbedürfnissen, Wachstumsambitionen und dem äußerst agilen Markt- und Innovationsumfeld müssen wir diverse Teams haben. Und Diversität ist soviel mehr als die Verteilung zwischen männlichen und weiblichen Kolleg:innen. Wir müssen davon weg kommen, dass Diversität als Buzzword umherschwirrt, mit welchem Organisationen sich schmücken. Wir müssen zu einem echten Bewusstsein kommen, dass diverse Teams, wissenschaftlich belegt, besser in der Lage sind, komplexe Problemstellungen zu lösen. Und welche Agentur oder Organisation braucht diese Fähigkeit heutzutage nicht?

Natürlich geht es um demografische Vielfalt, aber es geht auch um stärken- und persönlichkeitsbasierte Diversität. Wir neigen als Menschen dazu, uns mit Unseresgleichen zu umgeben. Warum sollte das im Arbeitsumfeld anders sein. Daher ist es die größte Kunst als Führungskraft, die Unterschiedlichkeit im Team auszuhalten und eben sogar zu fördern. Zu schauen, ob man intro- und extrovertierte Menschen im Team hat. Darauf Acht zu geben, dass man “laute und leise”, analytische und kreative Menschen (um nur ein paar wenige sich befruchtende Gegenseitigkeiten zu nennen) vereint und erfolgreich zusammenarbeiten lässt.

 

4. Wie sieht euer Onboardingprozess aus und wie sorgst du persönlich dafür, dass neue Mitarbeiter sich in deinem Team wohlfühlen?

Wir haben einen mehrstufigen Onboarding-Prozess bei Dept, weil wir unterschiedliche Themen bei Newbies platzieren möchten. Es gibt Kennenlernen mit dem Team und Welcome-Lunches und auch das Management stellt sich und die Ziele, die Vision und Mission von Dept vor. Dann haben die Bereiche wie People & Culture und Operations noch eigene Slots und natürlich gibt es je nach Position inhaltliche Onboardings und ein Buddy-Programm. Die Remote-Situation ist definitiv eine Herausforderung und es bedarf neuer Formate, um das kulturelle Zusammenwachsen zu fördern. Ich selbst setze auf sehr engen Austausch zu Beginn der Zusammenarbeit (virtuell und in Präsenz, wenn ok für das Gegenüber). Ich finde es enorm wichtig, dass neue Teammitglieder das Team, als auch mich persönlich kennenlernen können, so dass wir einschätzbar und vorhersehbar werden in unseren Handlungen und unserem Sein.

 

5. Wie sieht eure Feedback(gesprächs)kultur aus und wie sorgst du persönlich dafür, dass deine Mitarbeiter sich weiterentwickeln?

Mitarbeitentwicklung ist eins meiner Herzensthemen. Wir haben, technisch gestützt durch ein Tool, zweimal im Jahr einen 360-Grad-Feedback-Zyklus. Für mich ist das aber mehr eine Rahmenbedingung und meist sind die Gespräche mit meinem Team dann eher eine Bestätigung dessen, was wir im regelmäßigen Austausch sowieso miteinander teilen. Die Arbeit nimmt mit knapp 40 Stunden so viel Lebenszeit ein, dass man wirklich in einem Umfeld arbeiten sollte, das zu einem passt und die Möglichkeit und den Willen hat, die Stärken eines:r Jede:n zu fördern. Für mich gibt es da immer zwei Ebenen. Die Weiterentwicklung auf der fachlichen Ebene, die von Außen auf den Mitarbeitenden wirken kann und die Förderung auf der persönlichen und Soft-Skill-Ebene. Die kann nur von Innen passieren und um dort ran zu kommen, braucht es ein großes Vertrauen zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden. Dort an den Kern zu kommen, treibt mich an.

 

6. Welche Herausforderung siehst du in der Remote-Führung und wie gehst du damit persönlich um?

Ich empfinde die Remote-Führung als eine der größten aktuellen Herausforderungen im Unternehmenskontext und meiner Meinung nach wird diese in der Zukunft auch noch mehr Gewicht bekommen. Für mich bedarf das auch neuer Fähigkeiten im Bereich Führung. Ich beobachte, dass das Lachen in der Remote-Arbeit zu kurz kommt, Mikrofone sind gemuted oder Kameras aus. Daher bin ich ein Freund davon, in kleineren Runden die Mikrofone und Kameras offen zu haben, um Seufzer, Atmen oder eben Lachen einen Raum zu geben. Wir haben bei Dept im Office auch ein sehr erfolgreiches Hygienekonzept und ich selbst nutze die Möglichkeit, auch weiterhin aus dem Office zu arbeiten. Ich weiß von Kolleg:innen die Teamtage im Office haben, sich zu Spaziergängen treffen und auch im Zuge des Onboardings gibt es Präsenztermine für die Newbies, dass sie den Dept-Spirit mit allen Sinnen aufsaugen können. Ich beobachte, dass die passive Kommunikation einfach zu kurz kommt. Es ist total wichtig für den Mitarbeitenden und vor allem auch für die Newbies zu sehen, wie die Führungskraft sich verhält – auch im Nicht-One-to-One im Bildschirm. Wie geht die Führungskraft ins Office? Wie begrüßt sie das Team? Wie ist die Stimmung in Meetings? Räumt die Führungskraft auch die Spülmaschine ein? Scheinbar alles Kleinigkeiten, aber extrem wichtig um an den Kern der Kultur und des Miteinanders zu kommen.

 

7. Welche Herausforderungen siehst du in den kommenden Jahren im Bereich Führung allgemein auf uns im Agenturbusiness als auch persönlich auf dich zukommen?

Ich freue mich auf die Zukunft, weil ein Wandel im Bereich der Führungskräfte unabdingbar ist. Die Riege der “weißen alten Männer”, um es überspitzt auszudrücken, hat ausgesorgt und ich glaube es ist nur eine Frage der Zeit bis es noch weitere – von der Politik vorgegebene – Regularien geben wird, die den Organisationen zugute kommen werden. Natürlich haben wir bei Dept auch noch viel auf dem Hausaufgabenzettel, aber wir haben eine große Offenheit für Veränderung und mit unserer B-Corp Zertifizierung commiten wir uns auf Veränderung und gesellschaftliche Verantwortungsübernahme. Es macht mich stolz, dass wir als Dept dieses Zertifikat haben und so unser soziales und ökologisches Handeln als Unternehmen ausgezeichnet wird.

Diese stetige Auseinandersetzung mit sich selbst und seinem Wirken auf die Umwelt muss von den Führungskräften ausgehen und mit Energie versorgt werden. Neben dieser Chance sehe ich allerdings eine große Herausforderung für uns als Agentur betreffend der aktuellen Arbeitsmarkt- und die Fachkräftesituation. Es gibt viel zu viel Bedarf, für zu wenig ausreichend ausgebildete Expertise. Das liegt einfach daran, dass Erfahrung Zeit braucht und wir können die Uhr nicht nach vorne drehen. Die Digitalisierungsanforderungen und die damit einhergehenden Herausforderungen sind gefühlt der Ausbildungs- und Erfahrungszeit der Mitarbeitenden aktuell noch einen Schritt voraus.

Daher müssen wir so einen großen Fokus auf den Bereich Mitarbeiterentwicklung legen und damit das bei einer Organisation wie unserer skalierbar ist, braucht es beispielsweise eine solide Leadership-Ausbildung.

Ich glaube auch die “Great resignation” ist nicht zu unterschätzen, die uns nach dieser Pandemie überrollen wird. Die Menschen und Mitarbeitenden sind müde von Remote Work und digitalen Meetings und Events und sehnen sich nach Freiheit, Sonne und Digital Detox. Natürlich kommt es auf die Mitarbeiterstruktur an. Familien sind wahrscheinlich einfach froh den Wahnsinn von Homeoffice, Kinderbetreuung, Homeschooling und Quarantänezeiten hinter sich zu haben und freuen sich auf Routine und Alltag. Aber gerade bei der jüngeren Generation ohne familiäre Verpflichtungen kann ich mir gut vorstellen, dass der Ruf nach Freiheit sehr groß sein wird. Da müssen wir als Unternehmen proaktiv vorbeugen und z.B. attraktive Auszeiten in Form von Sabbaticals oder Abroad-Work Modellen in den Arbeitsabläufen jetzt schon etablieren. Der erste Gedanke ist wahrscheinlich “Oh jeh – die Kollegin will für 6 Monate raus. Das geht auf keinen Fall!”. Viel herausfordernder und natürlich auch wirtschaftlich teurer ist doch aber eine komplette Nachbesetzung in Cultural Fit und Fähigkeiten. Für Dept sehe ich den Spagat zwischen skalierbaren Prozessen, welche Gleichheit und Fairness für alle gewährleistet, aber eben auch der Flexibilität, die es in solchen unsicheren Zeiten wie jetzt gerade braucht, um auf individuelle Bedürfnisse einzugehen.

Und privat wird es für mich auf jeden Fall spannend, meine zwei Töchter und Familie, als auch meine Berufung und meine Leidenschaft zu dem was ich jeden Tag tue, unter einen Hut zu bringen. Das wir neue Arten von Vereinbarkeitsmodellen und ein Umdenken in Deutschland ganz dringend brauchen und hier Politik, Unternehmen und die Gesellschaft äußerst gefordert sind und ins Handeln kommen müssen, das würde ein ganz neues Interview füllen… 🙂

 

Zusatzfrage: Welche Vision hast du als Leader für dein Team?

Einer meiner Wegbereiter und Wegbegleiter in meiner beruflichen Laufbahn hat mir schon ganz früh eingetrichtert: “Beate, Dein oberstes Ziel muss sein, Dich immer ersetzbar zu machen. Egal, in welcher Rolle Du gerade bist.” Und genau das versuche ich. Für mich ist Führung dann erfolgreich, wenn das Spotlight auf den anderen liegt. Ich möchte Menschen ermutigen, über sich selbst hinauszuwachsen und sie dabei tatkräftig unterstützen. Ich empfinde es als eines der größten Irrtümer, wenn Führungskräfte denken, sie müssten ein Problem selbst lösen. Nein, die Aufgabe ist, die Rahmenbedingungen zu setzen, dass das Problem gelöst werden kann und die Führungskraft muss dabei Stabilität und Sicherheit geben.
Es wäre ja auch eine enorme Gefahr für unser Geschäft, wenn der Erfolg von einer bestimmten Person abhängig wäre – um klar zu sein: der Laden muss doch auch ohne mich laufen. Dann habe ich alles richtig gemacht.

Ich sehe es auch als meine Aufgabe, als Führungskraft Raum für Fehler aufzumachen und diese zuzulassen und den Rahmen für alle zu schaffen, aus Fehlern zu lernen. Es ist meine Aufgabe als Führungskraft, Reflexion zu ermöglichen und das ist eine Mammutaufgabe. Meine Aufgabe als Führungskraft ist es, auch Entscheidungen herbeizuführen, die Konsequenzen abzuwägen und mit diesen dann umzugehen.

Ich selbst habe viele Coachings mittlerweile gemacht und kann wirklich jedem:r ans Herz legen, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Es hilft, die eigenen Glaubenssätze zu durchleuchten, zu hinterfragen und wo nötig anzupassen. Ich selbst möchte als Führungskraft immer die Organisation ins Zentrum setzen, die natürlich aus Einzelteilen, d.h. aus den Menschen besteht, die diese mit Leben füllt. Es geht aber immer um den besten Weg für die Organisation. Ich glaube zudem daran, dass Führungskräfte nur dann positiv wirken können, wenn sie integer sind. Und Integrität bedeutet: Ich tue, was ich sage. Ich sage, was ich tue. Und wenn ich nicht tue, was ich sage, dann sage ich, warum ich es nicht tue. Ergo: Authentizität und Transparenz in seinem eigenen Wie und Warum.

 

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