In dieser Interviewserie stelle ich 7 Fragen an Führungskräfte aus Agenturen aus dem Bereich Digitales Marketing. Hierdurch lernst du die Leads und ihre Agenturen von einer neuen Seite kennen und erhälst durch ihre Antworten Impulse für die Leitung deines eigenen Teams. Es lohnt sich also definitiv! Darf ich also vorstellen? Christoph Baur, Gründer und Geschäftsführer bei Bits & Passion – Er wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…

 

Christoph Baur

Christoph Baur
Gründer und Geschäftsführer bei Bits & Passion

Christoph Baur ist geschäftsführender Alleingesellschafter der Bits & Passion GmbH mit Sitz in Augsburg. Er studierte Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Augsburg. Aktuell absolviert er dort berufsbegleitend seinen Master im Studiengang IT-Projekt- und Prozessmanagement. Christoph Baur beschäftigt sich bereits seit knapp 20 Jahren mit dem Thema Suchmaschinenoptimierung. Nach seinem Studium war er Head of SEO bei der CONTENTmanufaktur. Im Jahr 2016 gewann er als Head of SEO Consulting bei Catbird Seat den SEMY Award für die beste SEO Agentur. Im Juli 2016 gründete er die Bits & Passion GmbH. Christoph Baur ist Lehrbeauftragter an der Hochschule Augsburg und an der DHBW in Ravensburg.

 

1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich als Führungskraft positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?

Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, da ich in den letzten Jahren sehr viele Bücher gelesen bzw. Hörbücher und Podcasts gehört habe. Positiv in Erinnerung geblieben sind mir die Bücher von Stefan Merath. Angefangen bei seinem ersten Buch Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer über Die Kunst, seine Kunden zu lieben bis hin zu Dein Wille geschehe: Führung für Unternehmer. Daraus konnte ich einige interessante Dinge auf meinen Arbeitsalltag adaptieren.

Ansonsten ist mir Leading Simple von Bodo Schäfer und Boris Grundl positiv in Erinnerung geblieben. Auch Dale Carnegie’s Wie man Freunde gewinnt kann ich empfehlen. Aber ehrlich gesagt habe ich den Eindruck, dass ich mir immer nur einen Bruchteil dessen merken kann, was ich in Büchern lese oder in Podcasts höre. Daher kommt es nicht selten vor, dass ich erst das Buch lese und, wenn ich überzeugt bin, anschließend noch das Hörbuch konsumiere. Leider fehlt mir noch der ultimative Tipp, wie man gelesenes/gehörtes optimal speichert – und dass idealerweise auch dann, wenn man das Hörbuch beim Laufen konsumiert und keinen Stift bzw. keine Notiz-App zur Hand hat. 😉 Die mit Abstand höchste Lernkurve hat man ohnehin, wenn man die Dinge einfach anpackt.

 

2. Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben und welche Erwartungen impliziert dies auf deine Mitarbeiter?

Mir wird nachgesagt, dass ich sehr anspruchsvoll bin und hohe Erwartungen an mein Team stelle. Das liegt vermutlich daran, dass ich an mich selbst stets hohe Ansprüche stelle und mich nicht mit dem Durchschnitt zufriedengebe.

Ich tue mich schwer damit, meinen eigenen Führungsstil zu beschreiben. Als ich Bits & Passion im Jahr 2016 gegründet habe, hatte ich eine wahnsinnig arbeitsintensive und stressige Zeit hinter mir. Ich kam aus einer sehr kleinen Agentur, in der ich sehr viele Freiheiten hatte. Mein Chef und Mentor, Eric Kubitz, gab mir die Chance, mir eine Reputation aufzubauen, indem er mich zu vielen Konferenzen mitnahm und mir interessante Leute vorstellte. Außerdem bot er mir an, dass ich doch mein Wissen in Form von Blog-Artikeln im SEO Book teilen sollte. Ansonsten habe ich in der Zeit bei der CONTENTmanufaktur vor allem viele Websites analysiert und eigene kleine Tools und Skripte geschrieben.

Nach fast vier Jahren hatte ich mich entschieden die Komfortzone zu verlassen und mich als Head of SEO Consulting bei Catbird Seat zu beworben. Das war für mich eine äußerst herausfordernde, aber auch sehr lehrreiche Zeit. Ich hatte den Anspruch, dass alles was „rausgeht“ von hoher Qualität ist. Gleichzeitig hatte ich das erste Mal Budget- und Personalverantwortung, habe einige unserer größten Kunden betreut, Vorträge gehalten und HR beim Recruiting von neuen SEO Consultants unterstützt. Es hat unfassbar viel Spaß gemacht, war aber auch eine sehr intensive Zeit.

Im Anschluss wollte ich meine eigene Agentur aufbauen. Wichtig war mir dabei, dass wir organisch wachsen, von Anfang an Strukturen und Prozesse aufbauen, die entsprechend mitwachsen sollten. Rückblickend ist mir das nur bedingt gelungen. Teilweise stand mir mein eigener Anspruch im Weg – beispielsweise beim Aufbau des Teams. Ich traf die ein oder andere falsche Personalentscheidung. Mein wichtigstes Learning war, dass ich mehr auf mein eigenes Bauchgefühl hören und weniger Leute in den Bewerbungsprozess einbinden sollte. Hätte ich das von Anfang an getan, hätte ich mir viele Erfahrungen gespart, möchte diese aber letztlich auch nicht missen.

Zurück zum Führungsstil: Mir ist wichtig, dass jeder eigenverantwortlich handelt und lernt Entscheidungen zu treffen. Ich werde nicht müde, dass regelmäßig zu erwähnen. Ich glaube mein Team muss sich das einmal die Woche von mir anhören. 😉

Bei Bits & Passion hat jeder die Möglichkeit sich einzubringen. Ob es neue Tools, neue Produkte, Kooperationen, neue Kunden oder neue Mitarbeiter sind. Ich erwarte von jedem Teammitglied, dass er/sie stets die Augen offenhält und im Sinne der Firma handeln.

Außerdem ist mir persönlich sehr wichtig, dass ich die Freiheit habe auch mal nachmittags um 14 Uhr für ein oder zwei Stunden Laufen zu gehen, einen Kaffee trinken zu gehen oder einen privaten Termin wahrzunehmen. Die gleichen Regeln gelten auch für mein Team – wobei ich immer wieder feststelle, dass die meisten das gar nicht annehmen und dann doch zu den regulären Arbeitszeiten am Rechner sitzen.
Ich erwarte außerdem, dass jeden Tag der Status quo in Frage gestellt wird. Generell darf bzw. soll alles hinterfragt werden – auch oder insbesondere ich. Solange mein Gegenüber stichhaltige Argumente vorweisen kann, nehme ich das Feedback oder die Kritik auch gerne an.

 

3. Wie sieht euer Bewerbungsprozess aus und was sind deine liebsten Fragen in einem Bewerbungsgespräch?

Unser Bewerbungsprozess sieht so aus, dass ich in den meisten Fällen ein erstes kurzes Telefonat mit den Bewerbern führe. Das dauert meist ca. 30 bis 60 Minuten. Dabei geht es mir vor allem darum, ob die Person menschlich zu Bits & Passion passt.

Wenn ich dann einen ersten guten Eindruck und ein gutes Bauchgefühl habe, hole ich mir das Einverständnis ein, die Kontaktdaten des Bewerbers bzw. der Bewerberin an meinen HR-Coach weitergeben zu dürfen. Regina, mein HR-Coach, verschickt dann einen Link zu einem Fragebogen – dem „PI“ (Predictive Index). Beim PI geht es darum herauszufinden, ob die Bewerberin bzw. der Bewerber zu mir bzw. vor allem zum Team passt. Mittlerweile haben wir auch schon Erfahrung gesammelt, welches PI Profil dann eben nicht passt. Ich kann jedem nur empfehlen, den PI in den eigenen Bewerbungsprozess zu integrieren, da wir wirklich sehr gute Erfahrungen damit gesammelt haben und man sich und der Bewerberin bzw. dem Bewerber im Zweifel viel Ärger, Energie und Zeit spart.

Passt das PI Profil zu Bits & Passion, steht als nächstes eine kleine Aufgabe an. Ich lasse dann meistens eine Website analysieren und lasse mir die Ergebnisse präsentieren. So sehe ich direkt, ob jemand fachlich fit ist und sehe auch gleich wie die Präsentationsskills sind.

Wenn auch das passt, kommen noch Einzelgespräche mit den Teamkollegen, die mich und meine Ansprüche am besten kennen. Dabei ist mir wichtig, dass auch ganz offen darüber gesprochen wird, was erwartet wird.

Eine Lieblingsfrage habe ich nicht. Fachlich frage ich in der Regel nicht besonders viel, weil ich da sehr viel aus der absolvierten Aufgabe und den Gesprächen rauslesen bzw. raushören kann. Generell ist mir das Persönliche bzw. das Zwischenmenschliche jedoch wichtiger. Wir sind ein kleines Team. Wenn jemand menschlich nicht reinpasst, hat das weitaus größere Implikationen als, wenn jemand fachlich noch dazu lernen muss. Zumal man motivierten und engagierten Teammitgliedern das Fachliche schnell beibringen kann.

Ich frage aber ganz gern, wie aus Sicht des Bewerbers bzw. der Bewerberin der perfekte Arbeitstag aussehen würde. 😉

 

4. Wie sieht euer Onboardingprozess aus und wie sorgst du persönlich dafür, dass neue Mitarbeiter sich in deinem Team wohlfühlen?

Ehrlich gesagt hatten wir bisher keinen richtigen Onboardingprozess. Da wir erst seit zwei Jahren kontinuierlich wachsen, war das bisher m. M. n. auch nicht nötig. Ich habe in den letzten zwei Jahren aber gelernt, dass es nicht optimal ist, wenn man keinen Onboardingprozess hat. Umso mehr freue ich mich, dass ich im März eine neue Kollegin für uns gewinnen konnte, die bereits sehr viel Erfahrung in diesem Bereich sammeln durfte und das alles schon mal in einer anderen Agentur aufgebaut hat. Wir führen gerade Personio ein und sind da mitten im Onboardingprozess des Tools. Als nächstes kommt dann die Implementierung unseres eigenen Onboardingprozesses.

Ansonsten versuche ich gerade am Anfang – aber eigentlich auch darüber hinaus – möglichst viel Zeit mit meinen Mitarbeitern zu verbringen. Das gelingt am besten im Büro. In Zeiten von Corona und Homeoffice war das eine Herausforderung. Wenn möglich versuche ich mit dem Team die Mittagspause zu verbringen und lade die Kollegen gerne auch mal auf einen Teller Pasta oder einen Kaffee ein. Ich habe mit jeder Mitarbeiterin bzw. jedem Mitarbeiter regelmäßig einen Jour Fixe und immer ein offenes Ohr für mein Team.

 

5. Wie sieht eure Feedback(gesprächs)kultur aus und wie sorgst du persönlich dafür, dass deine Mitarbeiter sich weiterentwickeln?

Auch das ist etwas, was wir gerade professionell aufsetzen. Bisher haben wir noch keine Gesprächsleitfäden oder ähnliches. Sind aber auch so immer gut klargekommen. Wie bereits erwähnt habe ich jede Woche mit jedem Mitarbeiter bzw. jeder Mitarbeiterin einen Jour Fixe. Zumindest war es in der Vergangenheit so. Mit jedem Teammitglied, dass neu dazu kommt, wird das jedoch schwieriger, weil mir schlichtweg die Zeit ausgeht.

Wir haben mittwochs unser Weiterbildungsformat namens „Bier & Bildung“. Wie der Name bereits verrät, setzen wir uns auf ein Bier zusammen und stellen neue Produkte, besonders interessante Analysen, Excel-Tipps oder andere Dinge vor. Außerdem haben wir vorher noch eine Q&A Session, in der wir uns gegenseitig Fragen stellen und beantworten. Natürlich gehören auch Konferenzbesuche zum Programm. Wobei durch die Corona-Krise jetzt natürlich sehr viel virtuell stattgefunden hat.

Bei uns hat generell jeder die Möglichkeit sich in neue Dinge einzuarbeiten. Wenn dafür ein Buch angeschafft, ein Videokurs gekauft oder ein Seminar gebucht werden muss, steht dem in der Regel nichts entgegen. Ich muss allerdings zugeben, dass ich die Meinung vertrete, dass das Thema Weiterentwicklung durch die Mitarbeiterin bzw. den Mitarbeiter getrieben werden muss. Ich stelle gerne die Infrastruktur dafür bereit und bin auch gerne selbst derjenige der die Schulung oder den Workshop macht. Die Motivation muss jedoch intrinsisch gegeben sein, da ansonsten nicht viel hängen bleibt. Wer ein guter SEO-Berater bzw. eine gute SEO-Beraterin werden will, muss Erfahrung mit Kunden aber auch mit eigenen Projekten sammeln.

 

6. Welche Herausforderung siehst du in der Remote-Führung und wie gehst du damit persönlich um?

Generell kann ich mich nicht beschweren. Wir haben während der Corona Krise teilweise viele Wochen am Stück im Homeoffice remote zusammengearbeitet und ich bin ehrlich gesagt sehr zufrieden, wie es gelaufen ist. Ich kann mich auf jedes einzelne Teammitglied zu 100% verlassen.

Eine Herausforderung sehe ich im Hinblick auf das Onboarding neuer Teammitglieder. Ich versuche stets die Belange meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verstehen und zu berücksichtigen. Außerdem bin ich immer daran interessiert, dass es für beide Seiten passt und ein angenehmes Miteinander ist. Ich habe in den letzten zwei Jahren aber auch gemerkt, dass es schwierig ist, wenn man sich noch nicht persönlich kennt und dann ausschließlich remote miteinander zusammenarbeitet. Insbesondere, wenn man ohne Kamera telefoniert, kann das dazu führen, dass man den jeweils anderen auch mal falsch versteht.

Aus diesem Grund werden wir in Zukunft zwar weiterhin bis zu 100% Homeoffice anbieten – ich glaube anders geht es heutzutage auch gar nicht mehr – aber ich werde darauf bestehen, dass neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zumindest für die ersten Wochen vor Ort sind.

 

7. Welche Herausforderungen siehst du in den kommenden Jahren im Bereich Führung allgemein auf uns im Agenturbusiness als auch persönlich auf dich zukommen?

Ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft noch flexibler sein müssen als wir es in der Vergangenheit waren. Corona hat dazu viel beigetragen. Man hat jetzt gesehen, dass auch im Homeoffice Leistung gebracht wird – was ich nie bezweifelt habe. Außerdem ist vor allem der jüngeren Generation das Thema Nachhaltigkeit sehr wichtig. Das fängt bei Kleinigkeiten im Büro an und geht bis hin zu den Kunden. Ich bin der Meinung, dass wir zukünftig mehr Wert darauf legen werden, für wen wir arbeiten. Muss es wirklich der Weltkonzern sein, der Wasser privatisiert? Oder der Kunde aus der Rüstungsindustrie? Oder doch eher das hippe Startup, welches sich mit einem nachhaltigen Ansatz um unsere Zukunft kümmert? Ich bin überzeugt, dass das bei den nächsten Generationen eine große Rolle spielen wird.

Ich glaube außerdem, dass wir flexibel sein müssen, was die Arbeitszeit angeht. Viele junge Menschen wollen keine 40-Stunden-Woche, sondern wollen nur 30 oder 32 Stunden arbeiten, um entweder selbst im Nebengewerbe noch ein paar kleine Kunden zu betreuen bzw. eigene Projekte hochzuziehen oder um einfach den Freizeitanteil zu erhöhen.

 

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