Nicht immer läuft im Business alles rund. Manchmal geht ein Plan nicht auf und man scheitert. Ich bin der festen Überzeugung, dass diesen Geschichten viel zu wenig Bühnen gegeben wird. Und das obwohl die Learnings daraus mehr wert sind als 100 Bücher darüber, wie man erfolgreich wird. Daher will ich mit dieser Interviewserie Menschen zu Wort kommen lassen, die gescheitert und wieder aufgestanden sind. Menschen wie Bernd Kiesewetter, selbstständiger Führungskräfte-Coach, der sich meinen 7 Fragen gestellt hat und seine Erfahrungen mit mir teilt..

 

Bernd Kiesewetter

Bernd Kiesewetter

Bernd Kiesewetter ist erfahrener Unternehmer, mehrfacher Buchautor, Vortragsredner und Mentor vieler erfolgreicher Unternehmer, Spitzensportler und Führungskräfte und anderer starker Persönlichkeiten. Er gilt als „Berlins Erfolgscoach Nr. 1“ (98.2 Radio) und ist als „Coaching-Experte“ gern gesehener Gast in Radio, Fernsehen und der Presse (88.8 Radio, RBB, WELT, Tagesspiegel, Capital uvm.).

Seit 38 Jahren ist er erfolgreicher Unternehmer und kam von der Sozialversicherung über die Finanzindustrie zu 7 Firmen verschiedenster Branchen mit über 150 Mitarbeitern gleichzeitig. Sein Weg brachte ihm reichlich Erfolge, aber auch viele Niederlagen, Schicksalsschläge und tiefe Krisen. Wie Phönix aus der Asche wiederaufzuerstehen, das ist sicher eine seiner herausragendsten Eigenschaften. Dabei wurde das Thema Verantwortung zu seiner Mission und so verhilft er heute Menschen und Organisationen zu einem neuen Bewusstsein, um an den richtigen Stellen und im richtigen Maß zu übernehmen.

 

1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich für die Themen Leadership und Unternehmertum positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?

Ich würde jedem empfehlen sich mit Lebenserinnerungen von Benjamin Franklin auseinanderzusetzen. Es ist kein klassisches Unternehmerbuch, aber es enthält die Anleitung zu einem erfolgreichen Leben, mit den echten Herausforderungen der Praxis und für die Entwicklung unserer Persönlichkeit. Für im Verkauf tätige Menschen empfehle ich Lebe begeistert und gewinne von Frank Bettger, jungen Führungskräften empfehle ich für den richtigen Einstieg gern den 1 Minuten Manager von Kenneth Blanchard, das auch erfahrene Leader an die Einfachheit der Führungsaufgabe erinnert.

 

2. Du bist schon mal mit einem Business gescheitert. Magst du uns beschreiben, was dir wiederfahren ist und wie es dazu kommen konnte?

Ich bin schon mehrfach gescheitert, aber was heißt das eigentlich?! Ein angestrebtes Ziel nicht zu erreichen und keinen Erfolg zu haben, das gehört doch zum Erfolg dazu und passiert damit, zumindest vorübergehend, jedem, der nach Erfolg strebt. Zugegeben, es muss nicht immer so dramatisch sein, wie bei mir.

Hier gerne ein zwei Beispiele aus meinem Leben: Ich war mehrfach pleite und durfte tatsächlich auch mal erleben, wie schön es sein kann, Pfandflaschen zu besitzen, um etwas zu essen zu kaufen. Das war z.B. in jungen Unternehmerjahren und da wurde aus einer gutgemeinten Unterstützung plötzlich meine eigene Krise. Ich konnte nicht mitansehen, wie zwei meiner zu der Zeit mal gerade nicht so erfolgreichen Vertriebsmitarbeiter ein schlechtes Weihnachten feiern müssen, weil sie kein Geld hatten. Nach den nicht unerheblichen Vorschusszahlungen machten sie sich aus dem Staub und warben anschließend noch meine Kunden ab. An der falschen Stelle zu vertrauen brachte mich noch öfter in Schwierigkeiten, das vorletzte Mal kostete es finanziell tatsächlich alles, was ich hatte. Und das war zu dem Zeitpunkt nicht ganz wenig.

Eigentlich hatte mein Scheitern auch immer damit zu tun, dass ich als junger Mann in der Selbstständigkeit richtig pleite ging. Dieses negative „Fundament“ erschwerte mein Streben enorm.

Ein weiteres vorübergehendes Scheitern war meine über 6-jährige Cocaethylensucht, die Sucht nach Kokain in Verbindung mit Alkohol. Sie entstand im Wesentlichen durch Neugier, Konfliktscheue, übertriebener Suche nach Spaß und Freude und aus Frustration.

 

3. Welche persönlichen Konsequenzen hat(te) das Scheitern für dich und durch welche Achterbahn der Gefühle bist du gegangen? Was hat dir geholfen, wieder aufzustehen und nach vorn zu schauen?

Die Konsequenz aus meinen frühen finanziellen Fehlschlägen war ein enormer Mehraufwand. Damals bekam man nicht einmal ein Konto, wenn die Schufa schlecht war. Meine Beziehungen litten extrem unter dem wirtschaftlichen Druck und aus der Not heraus enttäuschte ich viele Menschen, sogar meine eigenen Eltern. Wir haben 2 Dinge geholfen: Aufgeben war keine Option für mich und ich hatte die feste Überzeugung, dass ich es schaffen werde. In schwierigen Situationen habe ich immer noch mehr und noch konzentrierter gearbeitet, das allein hat sehr viel ausgemacht.

 

4. Bereust du den Schritt, den du damals gegangen bist, oder bist du eher dankbar für die damit einhergehenden Erfahrungen? Welche Learnings nimmst du mit und hast du heute weniger Angst zu scheitern?

Ich habe nie einen Schritt bereut, wohl auch deshalb, weil es keine Zweck hätte, außer sich selbst niederzumachen oder sich zu bedauern. Das lag mir nie, die Opferrolle war schon immer ein Nogo für mich. Ich habe immer versucht aus den Dingen etwas zu lernen und ihnen im Nachhinein einen Sinn zu geben. Dankbar kann ich für manchen Blödsinn, den ich veranstaltete, kaum sein. Aber ich bin dankbar dafür, all das überstanden und bewältigt zu haben. Ich bin sehr dankbar dafür, dass mein Körper, mein Verstand und meine Seele das ausgehalten haben und ich immer wieder neue Chancen bekam.

 

5. Scheitern wird in Deutschland oft stigmatisiert. Woran liegt das deiner Meinung nach? Warum tun Menschen alles dafür, nicht zu scheitern und wie kann man die Angst vorm Scheitern überwinden?

Es ist eine Bewusstseinsfrage. Achtung: Die wenigsten Menschen wollen wirklich ernsthaft erfolgreich sein. Wenn sie es wären, wären sie auch bereit einen Preis dafür zu zahlen. Das sind sie aber nicht. Ihnen ist Ihre Bequemlichkeit, Ihr schnelles Vergnügen und die scheinbare Sicherheit wichtiger. Scheitern zu verurteilen, ist also eine Art sich selbst zu beruhigen, dass sich der Aufwand nicht lohnt und der eigene Weg richtig ist.

Jede:r, der nach Erfolg strebt, muss sich bewusst sein, dass er/sie scheitern wird. Es ist völlig ausgeschlossen erfolgreich zu werden, ohne zu scheitern. Wir dürfen dem Wort nicht so viel negatives Gewicht geben. Es geht um Versuche. Ich habe zwar gelernt, dass ein Versuch nichts zählt, sondern nur das Ergebnis, aber wir bekommen kein neues Ergebnis, ohne den Versuch. Was also ist die Alternative zum Scheitern? Sich nicht bewegen? Stell ich mir langweilig vor!

 

6. Scheitern geht oft nicht ohne Fehler einher. Nicht immer klappt alles sofort und führt zu Kritik. Wie können Führungskräfte eine gesunde Fehlerkultur in ihren Teams oder Unternehmen entwickeln?

Auch das ist wieder eine Bewusstseinsfrage. Fehler zu machen gehört einfach dazu. Wer viel macht, macht viele Fehler. Insofern ist es erstrebenswert viele Fehler zu machen. Es darf allerdings nicht Entschuldigung dafür sein, sich vorher nicht genug Gedanken gemacht, schlecht geplant oder leichtfertige Entscheidungen getroffen zu haben. Wie alles bleibt es ein schmaler Grat und gehört individuell und differenziert betrachtet zu werden. Diese Art mit Fehlern umzugehen und das richtige Maß zu finden, erfordert ständige Aufmerksamkeit, Kontrolle und Anpassung, also ein stetiges Training.

 

7. Abschließend: Wie definierst du für dich persönlich „Erfolg“ und „Erfüllung“?

Echter Erfolg kann nur sein, wenn alle Lebensbereiche im Einklang miteinander sind und nach den eigenen persönlichen Bedürfnissen in den einzelnen Bereichen erfüllt sind. Oder sie sind auf dem Weg, Erfüllung zu finden. Erfüllung heißt dabei nichts weiter, als dass diese Bereiche voll sind. Voll befriedigt und voll von guten Dingen, die uns Energie geben, Freude bereiten und uns glücklich machen. Echter Erfolg ist für mich Lebensglück.

 

Bonusfrage: Wo siehst du aktuell im Digital Marketing oder auch darüber hinaus Entwicklungen, die Unternehmen wohlmöglich zum Scheitern bringen werden? Welchen Rat würdest du den Verantwortlichen mitgeben?

Auch hier ist es nicht ganz einfach das richtige Maß zu finden. Ich beobachte, dass das digitale Marketing entweder gnadenlos überbewertet oder unterbewertet wird. Entweder machen die Beteiligten nichts anderes oder sie nutzen es kaum bis gar nicht. Wie immer liegt irgendwo in der Mitte die Wahrheit.

Es ist heute nicht mehr wegzudenken und es wird auch in Zukunft ein wesentlicher Bestandteil sein, um ein Unternehmen erfolgreich zu führen. Denn mit dem digitalen Marketing ist vieles möglich und vieles einfacher geworden, einiges sogar in absolut rasanter Geschwindigkeit.

Vieles ist aber auch wertloser geworden, denn immer mehr Marketing steht immer weniger Inhalt und Qualität gegenüber. Die Anbieter und Profis des digitalen Marketings wurden verleitet immer schnell und immer mehr Erfolg zu generieren, ohne dass die Wertigkeit auch nur ansatzweise gesteigert wurde. Im Gegenteil: Es geht heute mehr denn je ums Verkaufen. Und so vergeben wir Preise und Awards an Menschen, die für Sichtbarkeit sorgen, anstatt sie Leuten zu überreichen, die die Inhalte gestalten. Ein weiteres Problem in Sachen Werteverfall unserer Gesellschaft.

 

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