In dieser Interviewserie stelle ich 7 Fragen an Führungskräfte-Coaches. Hierdurch bekommst du Einblicke über das Thema Leadership von Personen, die vielfältige Führungspersönlichkeiten und ihre Unternehmen begleiten können. Es lohnt sich also definitiv! Darf ich also vorstellen? André Motzkus. Er wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…

 

André Motzkus

André Motzkus

André Motzkus ging vom Gymnasium ab, absolvierte eine Lehre als Gas- und Wasserinstallateur und
anschließend ein Studium der Energie- und Versorgungstechnik. Er arbeitete nicht einen Tag in
diesem Beruf, sondern sich in Malaysia zum Logistikmanager bei einem Krankenhausneubau hoch. In
Deutschland arbeitete er anschließend als Consultant für Firmen wie VAMED und Sodexo, bevor er
vor 12 Jahren den Weg in Richtung Persönlichkeitsentwicklung anderer Menschen einschlug. Seit
2020 ist er “der wirtschaftspsychologe” und arbeitet in Form von Führungskräfteentwicklungen bzw.
der Burn-out-Prävention als Coach und Trainer überwiegend mit Führungskräften.

 

1. Welches Buch, Blog oder welchen Podcast sind aus deiner Perspektive hilfreich für Führungskräfte und würdest du weiterempfehlen?

Bücher:

  1. In die Sonne schauen (Irvin D. Yalom) – Hilfreich, weil es deutlich macht, dass sich die
    Angst vor dem Tod häufiger und anders widerspiegelt, als man denkt. Verdrängtes, überhaupt
    nicht präsentes Thema in der Businesswelt.
  2. Haben oder Sein (Erich Fromm) – Hilfreich, da es eines der zentralen Themen unserer Zeit
    behandelt. Wir sind täglich damit konfrontiert, ohne es vielleicht bewusst zu merken.
  3. Ein Praxisbuch für die Arbeit in und mit Teams (Manfred Gellert und Claus Nowak)
    Hilfreich, da es viele Aspekte rund um das Thema Team beleuchtet und auch einen
    Werkzeugkasten für die Teamentwicklung beinhaltet.
  4. Der Zauberberg (Thomas Mann) – Aber es geht auch alles von Hermann Hesse oder TerryPratchet. – Hilfreich, da sie dazu dienen, in eine andere Welt abzutauchen, ohne die negativen
    Nebenwirkungen eines Screens erleben zu müssen.

Podcasts:

  1. A Bit of Optimism (Simon Sinek) – Coole Gäste, tolle Gedankenanstöße vom amerikanischen
    Vordenker in puncto Organisation, Führung, Arbeit. Auf Englisch.
  2. Führung auf den Punkt gebracht (Bernd Geropp) – Alles rund um das Thema Führung,
    kantig, nüchtern, auf den Punkt eben.
  3. On the way to New Work (Christoph Magnussen und Michael Trautmann) – Spannende
    Interviews rund um das Thema: Arbeiten heute.

 

2. Was ist für dich der Unterschied zwischen einem/einer Coach:in und einem Mentor:in? Und ab wann sollte jede Führungskraft sich den/die eine:n oder andere:n suchen?

Ein:e Coach:in begleitet einen Menschen bei einem Thema, ohne dass sie es selbst durchlebt
hätte. Ein:e Mentor:in war in der Vergangenheit in einer ähnlichen Situation wie die Mentee
und unterstützt sie aus ihrer Erfahrung heraus. Ein:e Mentor:in hat in der Regel nicht den
Methodenkoffer wie die Coach:in zur Verfügung.

Sobald eine neue Führungskraft ihren Job antritt, sollte sie wählen können zwischen einem bzw. einer
Mentor:in oder Coach:in. Es sollte grundsätzlich Pflicht sein für jede Führungskraft, eine
Coach:in oder eine Mentor:in mindestens zweimal im Jahr zu konsultieren. Das kann man je
nach Firmengröße auch innerhalb der Firma organisieren oder externe Expertise dazuholen.
Diese “Pflichttermine” sollten auch dazu dienen, einen erweiterten Bedarf der Einzelnen zu
eruieren.

Die meisten Führungskräfte haben Herausforderungen, haben meist mehr zu tun, als sie
umsetzen können und empfinden verständlicherweise Druck. Damit werden sie zu oft allein
gelassen. Eine programmatische oder strukturierte Unterstützung würde vielen
Führungskräften helfen und positive Auswirkungen für die ganze Unternehmung haben.

Ansonsten gilt, immer dann, wenn eine Begleitung einen bedeutenden Unterschied für mich
und damit auch für die Unternehmung machen kann, sollte ich eine Begleitung erhalten. Zum
Beispiel für alles, was ich auf Dauer nicht allein lösen kann, obwohl ich es schon oft probiert
habe.

 

3. Als was siehst du dich und wie stellst du sicher, dass du für deine Klient:innen einen Mehrwert lieferst? Muss deiner Meinung nach ein:e Coach:in oder ein:e Mentor:in selbst Profi als Führungskraft sein, um Führungskräfte begleiten zu können?

Das ist eine sehr spannende Frage.

Ich sehe mich als Trüffelschwein, welches probiert, für die Klient:innen, den passendsten
Interventionstrüffel zu finden, welcher die Coachee befähigt, eine eigene, nachhaltige Lösung
zu kreieren. Eine Frage hier, eine Einladung da, eine Reflexion dort und eine aufrichtige
Wertschätzung für Dinge, die so selbstverständlich scheinen, es in der Erlebniswelt der
Coachee aber nicht sind. Ich habe großen Respekt vor den Erlebniswelten meiner
Klient:innen.

Ich stelle nicht sicher, dass ich für meine Klient:innen einen Mehrwert biete, weil ich es nicht
kann. Ich tue etwas anderes.

Zur Erklärung ein Beispiel aus meiner Arbeit in Kurzform: Führungskraft, Head of, 50 Leute, starke körperliche und psychische Symptome. Am Ende unserer Zusammenarbeit: 3 Monate Auszeit hinter sich, Belastungssituation offen im Unternehmen kommuniziert, anderer Umgang mit dem Vorstand, Teilbereich abgegeben, Meditationsfan geworden, Therapie begonnen, Nachwuchs kündigt sich an.

Hat diese Entwicklung irgendetwas, mit mir und unserer Arbeit zu tun? Diese Frage beantworte ich mir nicht. Ich kann es auch nicht mit letztendlicher Sicherheit sagen.

Bin ich der Meinung, dass ich hochwertige Arbeit abgeliefert habe? Ja, das bin ich und das zählt. Ich bewerte mein Handeln dabei eher tendenziell zu kritisch und bin nicht leichtfertig mit meiner Einschätzung.

Und was sagt der Mensch, mit dem ich gearbeitet habe? O-Ton-Versuch: „Ich kann es nicht abstreiten, dass die Entwicklung auch etwas mit dir zu tun hat, du warst einer meiner engsten Vertrauen in dieser schweren Zeit.“

Nur die Coachee kann sagen, ob die Arbeit für sie einen Mehrwert darstellt. Ich kann nur sicherstellen, dass ich professionell, mit vollem Einsatz und nach besten Wissen und Gewissen arbeite.
Natürlich freue ich mich sehr für meine Coachees, wenn sie ein tolles Resultat in ihren Augen
erreichen.

Nur die Abhängigkeit allein davon oder auch die Diskussion, wer nun was bewirkt hat, halte
ich für nicht hilfreich, da sie vom eigentlichen Thema wegführt, nämlich dass für die
Coachee im Laufe der Zusammenarbeit ein spürbarer Unterschied entstehen sollte. Das ist
wichtig.

Sollte jemand der Meinung sein, dass es gar keinen Zusammenhang zwischen der Zusammenarbeit und den Auswirkungen gibt, ist dies eine Meinung, die ich nicht teile. Aber was genau wie gewirkt hat, das kann ich nicht sagen.

Ein:e reine Coach:in braucht selbst keine Führungserfahrung und kann doch Führungskräfte coachen. Ein:e Mentor:in für eine Führungskraft hat aus meiner Sicht einen ähnlichen Weg beschritten, hat also auch Führungserfahrung, das macht sie zum/zur Mentor:in.

Beim Coach bzw. der Coachin kann man jedoch noch differenzieren. Auf der einen Seite kann Führungserfahrung hinderlich sein, auf der anderen Seite auch durchaus hilfreich.

Hinderlich wird es dann, wenn ich tendenziös in Richtung meines Führungsverständnisses frage, also meine Erfahrung von Führung, meine Arbeit als Coach:in in eine aus meiner Sicht “richtige Richtung” beeinflusst, welche vielleicht nicht die praktikabelste und beste für die Coachee ist.

Auf der anderen Seite ist es aus meiner Erfahrung so, dass vonseiten der Coachees ein reines Coaching nicht immer das ist, was sie sich wünschen. So kommt es vor, dass Coachees auch Beratungselemente wünschen. Um diese Beratungselemente liefern zu können, ist eine gewisse Führungserfahrung durchaus hilfreich, um auch Erfahrungen aus der Praxis einfließen zu lassen.

 

4. Was macht erfolgreiche Führung für dich aus? Und was würdest du Menschen raten, die das Ziel haben, sich in eine Führungsposition zu entwickeln?

Erfolgreiche Führung macht für mich aus, dass sie wünschenswerte Ergebnisse in möglichst vielen Bereichen hervorbringt.

Als Beispiele seien genannt:

  1. Eine zufriedene, ausbalancierte Führungskraft
  2. Eine geringe Mitarbeiterfluktuation
  3. Ein geringer Krankenstand
  4. Ein betriebswirtschaftliches Ergebnis, welches zu den Erwartungen passt.

Wie es dazu kommt, sieht in einem Startup anders aus als in einer Behörde, im Einzelhandel anders als in einem produzierenden Gewerbe, in einem Krankenhaus anders als auf einem Flughafen, usw. Auch spielt die Firmenkultur neben anderen Aspekten eine sehr wichtige Rolle.

Führungskräfte können wünschenswerte Ergebnisse begünstigen, indem sie sich ihrer selbst gewahr sind und mit ihren Teammitgliedern in einem offenen Austausch und ständigen gegenseitigen Feedback stehen. Wenn es die Führungskraft schafft, alle Kompetenzen des Teams im Sinne eines wünschenswerten Ergebnisses zum Klingen zu bringen, ist viel erreicht. Für erfolgreich halte ich alles, was im Sinne der Führungskraft, des Teams und der Zielerreichung ausgerichtet und entwickelt wird. Dies kann auch schon mal die Führungskraft selbst sein, z.B. in einer Führungskräfteentwicklung.

Wenn sich jemand in eine Führungsposition entwickeln möchte, würde ich ihr raten, darüber zu sprechen. Vor allem mit Führungskräften, mit denen sie schon zusammen gearbeitet hat und denen sie vertraut. Ich würde meinen Führungskräften immer wieder die folgenden oder ähnliche Fragen stellen:

  1. Was glaubst Du, qualifiziert mich zur Führungskraft?
  2. Was steht mir im Weg?
  3. Wo muss ich mich erst noch weiterentwickeln?
  4. Worauf bin ich nicht gut vorbereitet?
  5. Was ist für Dich heute die größte Herausforderung als Führungskraft?
  6. Weshalb ist es erstrebenswert, Führungskraft zu werden?
  7. Was ist die größte Bürde einer Führungskraft?
  8. Was versteht man erst nach vielen Jahren als Führungskraft?

Je facettenreicher das Bild wird, umso besser.

Natürlich muss man gucken, ob das in dem aktuellen Umfeld geht. Manche Führungskräfte könnten sich durch solche Ambitionen bedroht fühlen oder sprechen generell nicht gern über dieses Thema.

Ich finde es auch wichtig, sich eine Frage immer wieder selbst zu beantworten: Weshalb möchte ich Führungskraft werden? Und weshalb noch?

Dieser Frage sollte man wirklich auf den Grund gehen und alternative Wege zur Zielerreichung prüfen. Wenn es z.B. um mehr Geld geht, wäre eine Expertenkarriere auch möglich.

 

5. Mit welchen Tools (Frameworks, Tests usw.) arbeitest du gern und warum sind diese für die Arbeit von/mit Führungskräften ein Gewinn?

Drei seien hier genannt.

Das innere Team / Seitenmodell: Oft sind wir so mit unseren Problemen so assoziiert, dass wir uns mit ihnen verwechseln. Das Modell hilft sehr gut, sich von einer Seite zu dissoziieren. Dies eröffnet die Möglichkeit auch andere Seiten zu Wort kommen zu lassen oder einzuführen und sich selbst als Führungskraft zu initiieren.

Ein Beispiel in vereinfachter Darstellung: „Ich habe einen Fehler gemacht.“

  1. Assoziiert: Ich bin ein Versager, wie konnte ich nur so versagen, ich Tölpel. Im Unterbewusstsein herrscht das Prinzip der Wortwörtlichkeit. Ungünstig in diesem Fall. Dies bedeutet, ich bin ein Tölpel und Versager. Diese Bewertung hat Auswirkungen.
  2. Dissoziiert: Oh, mein innerer Richter hält mich für einen Versager? Was sagt mein schützender Riese dazu, der mich verteidigt?
  3. Riese: Komm her, lass Dich in den Arm nehmen, das passt schon, so ein Fehler kann jedem passieren, weißt Du?

  4. Und in Richtung des inneren Richters: Ich würde Dich auch in den Arm nehmen, aber solange Du so drauf bist, halte Abstand.

Ich bin dankbar für meinen Riesen, fühlt sich gut an, ihn zu haben. Ich habe mich bewusst dazu entschieden, mich von meinem Riesen in den Arm nehmen zu lassen und nicht der Meinung des inneren Richters zu folgen. Durch diese bewusste Wahl bin ich die Führungskraft und habe die Deutungshoheit und ich bin dissoziiert zur Anschuldigung des inneren Richters. Er und seine ungnädige Sichtweise auf mich kommen mir nicht so nahe, ich kann dadurch anders und freier agieren. Wäre ich noch assoziiert mit meinem Richter und seiner Sichtweise, würde ich mich vermutlich schlechter fühlen und anders agieren.

Stress-Check-up: Hierbei handelt es sich um 56 Fragen, welche mit „Stimmt“ oder „Stimmt nicht“ beantwortet werden. Die Fragen sind so gestellt, dass ein „Stimmt” Gesprächsbedarf signalisiert. Im Nachgang spreche ich über diese Fragen mit der jeweiligen Teilnehmerin und wir gucken, wo Arbeitsbedarf besteht. So etwas ist hilfreich, um in relativ kurzer Zeit viele Zugänge zu einer
möglichen Thematik zu öffnen. Jedes „Stimmt“ kann so ein Zugang sein, an dem man ansetzten kann. Spannend ist auch, dass die gleiche Aussage ganz anders gedeutet werden kann. So war ein beschriebener Rückzug, für eine hochsensible Klientin sehr stimmig und kein Zeichen eines resignativen Verhaltens.

So gut wie immer wende ich Wirklichkeitserzeugungen durch Prozesse der kontextbezogen Aufmerksamkeitsfokussierung an.

Im Fall von einem selbst begangenen Fehler kommt man dann dazu, dass ein Fehler passieren kann, weil man diese Aufgabe zum ersten Mal macht, oder abgelenkt wurde oder heute einen schlechten Tag hat, oder, oder. Damit geht dann eine andere Bewertung einher. Auch können die imaginierte Bewertung von Freunden oder der Familie helfen, hier eine Differenzierung zu bewirken. Man kann auch gucken, weshalb man an der Stelle nicht gnädig mit sich umgehen kann und was man dazu brauchen würde, um es zu tun. Welche Geste würde unterstützen, wie würde man laufen, wenn man gnädig mit sich umgehen würde? Wie würde man stehen und von wo würde der Vorwurf nach dem Fehler einen treffen? Von vorn, von hinten? In die Schulter? Wie müsste ich mich hinstellen oder welchen Bewegungsablauf vollziehen, damit der Vorwurf mich nicht mehr so treffen kann? Es geht immer um Unterschiedsbildung, dies ist das Ziel.

 

6. Man sagt: „Führung fängt mit Selbstführung an.“ Was bedeutet Selbstführung für dich und was gilt es hier für Führungskräfte zu tun. Inwiefern kannst du bestätigen, dass mangelnde Selbstführung direkte, negative Konsequenzen auf die Führung von anderen Menschen hat?

Selbstführung bedeutet für mich die Freiheit zu haben, bewusst und überlegt handeln zu können.

Eine Grundvoraussetzung für eine gute Selbstführung ist es, sich selbst gut zu kennen. Nur wenn ich mich gut kenne, mir meiner Gefühle bewusst bin, meine eigenen Muster reflektiert habe und mich in einer gewissen Tiefe erkenne, habe ich überhaupt die Voraussetzungen für eine wirkliche Selbstführung. Wenn ich dann in dieser Tiefe und Selbsterkenntnis bei mir bin, beginnt die Selbstführung. Ich entscheide mich zum Beispiel bewusst dafür, obwohl ich aufgebracht bin, nicht auf die Mitarbeiterin zu reagieren, sondern auf mich und das, was z.B. eine Aussage in mir ausgelöst hat. Denn es hat mehr mit mir zu tun als mit der Aussage oder des Mitarbeiters bzw. der Mitarbeiterin.

Mangelnde Selbstführung hat tägliche und teils sehr negative Konsequenzen auf die geführten Menschen.

Wenn eine Führungskraft z.B. ein Einzelkind war, es war der Sonnenschein seiner Eltern, wurde hochgelobt für alles und stand oft im Mittelpunkt, das ganze Familiensystem war auf sie ausgerichtet und im Erwachsenenleben wird diese Frau nun eine Führungskraft. Und nehmen wir an, alles lief super und es gab nie einen Grund, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und sie hat dieses Muster noch nicht erkannt und jetzt kommt eine junge Mitarbeiterin mit Idealen, Wünschen, Kritik in angemessener Form, einer differenzierten Sichtweise. Dann ist es möglich, dass sich die Führungskraft aufgrund des Verhaltens dieser Mitarbeiterin abgelehnt fühlt, da sie es persönlich nimmt und nicht das gewohnte Erleben vorfindet, überhöht zu werden. Und so kommt ein Stein ins Rollen. In einem Zustand der Selbstführung würde diese Führungskraft dieses Gefühl der Ablehnung durchaus auch spüren, aber sie wäre in der Lage zu verstehen, dass es etwas mit ihr selbst zu tun hat und hätte die Freiheit, anders zu reagieren.

Dies ist natürlich ein Beispiel, in dem viele Einflussfaktoren nicht berücksichtigt wurden und
von dem keine Kausalität abzuleiten ist.

 

7. Wenn man sich Statistiken anschaut, dann ist der/die Chef:in eines/einer der am häufigsten genannten Kündigungsgründe. Das klingt danach, dass viele Führungskräfte ihren Führungsjob nicht gut machen und ihrer ihrer Rolle bzw. den Erwartungen ihrer Mitarbeiter:innen nicht entsprechen. Ist dem denn wirklich immer so? Was muss sich hier ggf. ändern?

Es gibt für mich keinen Anlass daran zu zweifeln, dass nicht wenige Arbeitnehmerinnen mit Handlungen von Führungskräften unzufrieden sind.

Ich möchte das Bild gern ein bisschen größer aufspannen an der Stelle. Ich bin der Meinung, die Mitarbeiter:innen gehen nicht grundsätzlich wegen der Führungskraft, sondern weil das System “Unternehmen” diese Führungskraft gewähren lässt in ihrem Tun. Es ist die Verantwortung des Unternehmens, eine Kultur zu etablieren, in der die Führungskräfte auf gewisse Grundsätze committet werden und nicht jede ihr eigenes Ding macht. Dann gibt es auch Prozesse, wo die Mitarbeiterinnen ihren Unmut offen äußern können und es wird auf sie eingegangen. Ich habe noch nicht gesehen, dass eine
Mitarbeiterin, welche sich von ihrer Chefin verstanden fühlt, ihretwegen geht.

Die Führungskräfte brauchen dazu aber teilweise die Hilfe des Unternehmens, um sich ausreichend mit sich selbst auseinander zu setzen und um Leitplanken zu haben, entlang derer sie ganz selbstverständlich agieren.

Der negative Klassiker ist beispielsweise aus meiner Sicht eine Führungskraft, welche deshalb in ihrer bestimmten Position ist, weil sie schon sehr lange dabei ist. In weiten Teilen der Firma gilt sie als schwierig und jede weiß auch, dass sie gute Kontakte nach oben pflegt. Ihr Verhalten ist quasi akzeptiert, wird gern auch mal von oben relativiert, da man sie ja von einer anderen Seite und schon lange kennt. Also wird weggeguckt, schließlich hat sie sich ja auch verdient gemacht für die Firma. Und so führt diese Führungskraft, welche noch nie an einer Führungskräfteentwicklung teilgenommen hat, ihren Bereich nach Tagesform und Laune. Führungskräfte, welche unter ihr arbeiten, und ein Führungskräfteprogramm in diesem Unternehmen durchlaufen haben, kriege aufgrund der Widersprüchlichkeit große eigene Zwickmühlen.

Wer trägt für diese Situation die Verantwortung? Das Unternehmen bzw. die oberste Führungsriege.

 

Bonusfrage: Erst die Pandemie, dann der Krieg in der Ukraine und damit einhergehend instabile Lieferketten, Inflation, Rezession und gleichzeitig auch Arbeitskräftemangel und Fluktuationswellen. Keine einfache Zeit für Führungskräfte. Was ist in Zeiten wie diesen im Hinblick auf das Thema Führung ganz besonders wichtig?

Als Führungskraft gut für sich selbst zu sorgen. Das ist der Ursprung wirklich guter Führung.

 

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