In dieser Interviewserie stelle ich 7 Fragen an Inhouse-Führungskräfte aus dem Bereich SEO und Digitales Marketing. Hierdurch lernst du die Leads und ihre Perspektive über Leadership kennen und erhälst durch ihre Antworten Impulse für die Leitung deines eigenen Teams. Es lohnt sich also definitiv! Darf ich also vorstellen? Eduard Protzel, Director of Organic Search bei Bitpanda. – Er wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…

 

Eduard Protzel

Eduard Protzel
Director of Organic Search bei Bitpanda

Eduard Protzel verantwortet seit August 2022 als Director of Organic Search bei Bitpanda die Bereiche SEO und ASO. Bitpanda ist ein in Wien gegründetes Fintech und hat als Investment-Plattform für Kryptowährungen gestartet, bietet aber mittlerweile auch die Möglichkeit in Aktien, ETFs, Krypto-Indizes sowie Edelmetalle zu investieren. Bitpanda bietet über die Plattform einen Zugang zu Investmentprodukten ohne digitale Mauern und komplexen Barrieren.

Davor war er bei Raisin, ebenfalls ein Fintech (in Deutschland bekannt unter der Marke Weltsparen), zuletzt als Director of Organic Channels verantwortlich für den Auf- und Ausbau der organischen Reichweite durch die Bereiche SEO, Content Management, Content Design und Digital PR.

 

1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich als Führungskraft positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?

Es fällt mir schwer, mich hier auf ein Buch zu beschränken, aber als Erstes kommt mir hier Good to Great von Jim Collins in den Sinn. Zwar sind die darin analysierten Firmen heute überwiegend nicht mehr sonderlich greifbar, bekannt oder existieren teilweise überhaupt nicht mehr, weil das Buch bereits 2001 veröffentlicht wurde, aber die aus der Analyse abgeleiteten Prinzipien und Analogien finde ich weiterhin großartig. Collins hat rund 1.400 Unternehmen untersucht. Dabei hat er geprüft, welche dieser Unternehmen über einen Zeitraum von 30 Jahren konstant besser als der Markt performen bzw. wachsen und welche Eigenschaften, Verhalten oder Prinzipien sie dabei verwendet. Diese stellt er dann in den direkten Vergleich mit einem ähnlichen Wettbewerber, der aber über den Zeitraum nicht derart stark gewachsen ist.

Eigentlich finde ich alle dabei vorgestellten Prinzipien super. Aktuell leihe ich mir gerne das “The Flywheel Effect” Prinzip aus. Im Grunde genommen besagt dieses, dass Kontinuität wichtig ist. Die erste Umdrehung oder der erste Effekt dauert nun mal manchmal länger. Gerade im SEO. Und besonders hier ist es wichtig, die Basics kontinuierlich richtig und exzellent durchzuziehen, statt sich immer wieder auf neue Themen zu stürzen. Dadurch baut man Momentum auf. Die eher „exotischen“ Themen können dann zu gegebener Zeit angegangen werden, ohne Gefahr zu laufen, sich selbst und andere zu blockieren.

Zusätzlich würde ich auf jeden Fall Thinking Fast and Slow von Kahnemann und Tversky an dieser Stelle erwähnen. In dem Buch geht es im Prinzip darum, zu verstehen, wie wir Ereignisse und Informationen interpretieren bzw. daraus unsere Schlussfolgerungen ziehen. Grundsätzlich neigen wir dazu, uns schnell eine Meinung bilden oder in die Richtung einer Entscheidung zu tendieren, in dem Buch als “schnelles Denken” beschrieben. Quasi emotionale oder intuitive Reaktionen und Entscheidungen. Dem gegenüber steht das “langsame Denken”. Das sind dann eher bewusste oder langsame gedankliche Prozesse, wie z.B. das Lösen einer mathematischen Gleichung. Die in dem Buch aufgeführten Erkenntnisse empfinde ich gerade in einer Führungsposition wichtig, um seine Entscheidungen auf verschiedenen Ebenen hinterfragen und einen möglichen Bias vermeiden zu können.

 

2. Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben und welche Erwartungen impliziert dies auf deine Mitarbeiter:innen?

Optimistisch und lösungsorientiert mit transparenter sowie direkter (candid) Kommunikation auf Augenhöhe. Dabei authentisch und humorvoll – so würde ich zunächst beschreiben, wie ich in meiner Rolle agiere.

Durch die offene und direkte Kommunikation, die ich auch von meinen Kolleg:innen erwarte, werden Potenziale frühzeitig adressiert und etwaige Blocker aus dem Weg geräumt. Ganz zu Beginn meiner Rolle als Führungskraft habe ich den Fehler begangen, Lösungswege enorm genau vorzugeben, aka Micro Management vom Feinsten betrieben.
In Retrospektive bin ich aber “recht glücklich” diesen Fehler recht früh begangen zu haben, da sich mein Stil jeher um 180° gedreht hat. Deswegen konzentriere ich mich seitdem darauf, Richtungen oder Nordsterne vorzugeben sowie eine Vision für das Team aufzuzeigen. Dabei ist mir Entscheidungs- und Handlungsfreiheit im Rahmen der Themen oder Bereiche, für die die Kolleg:innen Verantwortung tragen, sehr wichtig. Das heißt, sich möglichst weit rauszuziehen und nur, wenn es wirklich nötig ist, bei operativen Themen einzugreifen. Die Grundlage dafür schaffe ich durch klare Strukturen mit entsprechenden Verantwortlichkeiten und hohen Qualitätsstandards.

Ebenso ist eine offene Fehlerkultur für mich unheimlich wichtig. Und diese muss vorgelebt werden. D.h., wenn ich einen Fehler gemacht habe, eine frühere Entscheidung nicht mehr korrekt ist oder von Anfang an nicht korrekt war, kommuniziere ich das offen, was wiederum (im Idealfall) bei den Kolleg:innen zu einem entsprechenden Umgang mit Fehlern und mehr Transparenz führt. Kurzum: Lowlights sind mindestens genauso wichtig wie Highlights.

 

3. Inhouse zu führen steht für mich auch stark in Verbindung mit dem Thema Stakeholder-Management. Wie gelingt es dir, andere Mitarbeiter:innen und Abteilungen für dein Thema zu begeistern und für die Umsetzung der für dich wichtigen Themen zu sorgen?

Zunächst vermeide ich in der Kommunikation mit angrenzenden Bereichen oder gar im weiteren Kontext des Unternehmens “SEO-Slang”. Die wenigsten, wenn überhaupt jemand, im Content-, Comms-Team oder gar der C-Suite interessiert es, wie du 8,25% der für die organische Suche irrelevanten Seiten deindexiert oder 415 Ankertexte angepasst hast. Mal von den Product- und Engineering-Teams ganz zu schweigen. Mit einer derartigen Argumentation kriegst du kein Ticket durch.

Daher konzentriere ich mich bei meiner Argumentation nach Möglichkeit auf den eigentlichen User und verwende oft Analogien/Story Telling, um die Zusammenhänge zu erklären. Der (voraussichtliche) Impact einzelner Maßnahmen oder größerer Projekte wird dabei in direktem Bezug, soweit möglich, zu Business KPIs kommuniziert. Eine transparente Dokumentation und strukturierte Planung mittels Jira oder ähnlichen Tools ist ebenfalls hilfreich, wenn nicht gar essentiell.

Letztlich ist es wichtig, Awareness und Verständnis für SEO innerhalb des Unternehmens zu schaffen. Sobald man das halbwegs geschafft hat und dann sogar noch die Zahlen stimmen, die man entsprechend regelmäßig reported, klappts auch mit dem Interesse oder gar Begeisterung der Kolleg:innen für SEO.

 

4. Du bekleidest eine Position des mittleren Managements. Wie gelingt es dir, die Spannung auszuhalten, die Interessen der Geschäftsführung zu vertreten und gleichzeitig dein Team zu schützen bzw. ihre Wünsche zu berücksichtigen?

Aus meiner Sicht ist es wichtig, in beide Richtungen transparent und direkt, sofern möglich, zu kommunizieren. Man ist dabei in einer Sandwich-Position und muss abwägen, in welcher Art Informationen weitergegeben werden, um dabei das Vertrauen der jeweiligen Seite nicht zu missbrauchen sowie das vorrangige Ziel zu erreichen.

Grundsätzlich steht das Team dabei immer an erster Stelle und meine Aufgabe ist ihnen nicht nur den Raum zur Erfüllung ihrer Aufgaben, Ziele und Interessen im professionellen Kontext zu schaffen, sondern sie auch vor etwaigen Ablenkungen zu schützen. Gleichzeitig muss man die Themen stets auch aus Arbeitgebersicht betrachten, genau diese Interessen vertreten und dabei das Ganze unter einen Hut bekommen.

Letztlich gehört dieses Thema aber genau zu der Rolle dazu und entweder man macht es gerne, kommt mit den verschiedenen Ansichten und damit einhergehenden Diskussionen klar oder eben nicht. Das muss letztlich jeder für sich selbst herausfinden und verstehen.

 

5. Inhouse zu arbeiten, bedeutet in ein Unternehmen, eine Branche tiefer einzutauchen. Im Gegensatz zum Agenturleben kann dies u.U. für mehr Monotonie sorgen. Wie sorgst du daher bei deinen Mitarbeiter:innen für ausreichend Abwechslung und immer wieder neue Herausforderungen?

Ich halte die Inhouse-Arbeit für überhaupt nicht monoton. Klar, man hat nicht viele verschiedene Business-Modelle und Komplexitätsstufen was die eigentlichen Websites angeht wie in einer Agentur, durchdringt dafür aber andere Themen deutlich tiefer. Zum Beispiel ist ein Verständnis über interne Prozesse und Abhängigkeiten, Stakeholder Management und allgemein ein tieferes Verständnis für die Branche, in der man arbeitet, deutlich wichtiger. Es kann auch aus meiner Sicht klar besser Inhouse erlernt werden.

Durch die Übergabe von voller Verantwortung und Gestaltungsspielraum, also accountability und autonomy, können Mitarbeiter:innen ihre Bereiche selbständig vorantreiben. Das können ganze Märkte inkl. Verantwortung für Externe sein oder interne Prozesse, die es stetig zu verbessern gilt. Dabei erhält man auch deutlich tiefere Einblicke in die angrenzenden Bereiche und kann (im Idealfall) kanalübergreifende Maßnahmen planen. Das kombiniert mit dem tieferen Verständnis der vorliegenden Thematik sorgt für mehr als genug Herausforderungen und Raum zur Entwicklung, sowohl im SEO als auch darüber hinaus. Zusätzlich versteht man besser, wie die eigene Arbeit auf die Business-Ziele einzahlt und lernt dabei auch, wie man diese kommunizieren sollte, um ein Buy-in für weitere/andere Projekte zu erhalten.

 

6. Meetings sind ein zentrales Tool im Unternehmensalltag. Diese haben sich stark durch New Work (Home Office, Remote Work etc.) verändert. Welche regelmäßig stattfindenden Meetings haben sich für dich bewährt und wie gestaltest du diese so, dass diese effizient ablaufen und Spaß machen?

Die wichtigsten Meetings sind für mich tägliche 1:1s, Stand-up, und Retrospektiven:

  • Stand-up: Gemeinsamer Start in den Tag, auch gerne mit Smalltalk. Kurzer Blick auf was gestern war, was heute stattfindet und ob es etwaige Blocker oder Unklarheiten gibt
  • Retrospektive: Hierfür gibt es viele Formate, aber zuletzt fand ich das simple start/stop/continue Format am Besten. Eingeleitet wird es von einem kurzen Icebreaker und die Moderation rotiert innerhalb des Teams pro Retro. Es ist ein Format, bei dem alles adressiert wird, was eben gestartet, gestoppt oder weitergeführt werden soll. Dabei verläuft das Meeting auf Augenhöhe und es gibt keinerlei Hierarchien. Ziel ist, gemeinsam Potenziale zu erkennen, aber auch das, was gut läuft, hervorzuheben. Dabei ist egal, ob es prozessualer Natur, rein SEO-spezifisch oder sonstiger Art ist. Wir hatten bei Raisin das Format lose vom Product-Team adaptiert, in der Regel findet eine Retro nämlich nach jedem Sprint statt. Ich halte das Format für super wertvoll, insbesondere bei Remote Work.

Bei allen anderen Meetings stelle ich mir immer die Frage, ob man das Thema asynchron, also per Slack oder sonstige Tools lösen kann. Was Abstimmungen mit anderen Bereichen oder Teams angeht, poche ich immer auf eine Dokumentation mit klaren Action Items und Follow-ups, gerade wenn sie regelmäßig stattfinden.

 

7. Welche weiteren Herausforderungen siehst du in der Remote-Führung und wie gehst du damit persönlich um?

Es ist deutlich schwerer, das eigene Team oder auch weitere Kolleg:innen gut kennenzulernen und angespannte Situationen zu antizipieren. Während man im Büro schon über den Tag oder einfach auf dem Weg zu einem Meeting schon merkt, dass jemand vielleicht etwas angespannt, gestresst ist oder einfach etwas nicht stimmt, hat man diese Informationen im Remote Setting nicht. Zusätzlich fehlt die Körpersprache in Gesprächen.

Dadurch ist die Kommunikation und das aktive Zuhören noch wichtiger geworden, und ich habe einige Zeit in diese Themen investiert, um schlichtweg hier besser und dem veränderten Setting durch Remote Work gerecht zu werden. Meine 1:1s habe ich dabei auch alle um 50% verlängert, um schlichtweg mehr Zeit zu haben für einen Austausch auf persönlicher Ebene. Gleiches gilt auch für Stand-ups, die z.B. gerade an Montagen auch gerne deutlich länger gehen können.

 

Bonusfrage: Unternehmen arbeiten z.T. auch mit Agenturen zusammen. Die Setups sind hierbei sehr vielfältig. Daher stellt sich hierbei die Frage, wer hier eigentlich wen wie am besten führen sollte. Wie ist deine Sicht der Dinge: Wie gelingt eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Agenturen?

Aus meiner Sicht (und bezogen auf SEO-relevante Tätigkeiten) sollte die Führung stets Inhouse stattfinden und Agenturen, wenn nötig, zur Umsetzung operativer Tätigkeiten herangezogen werden. Klar, bei einzelnen strategischen Themen profitiert man auch von einem starken Sparringspartner, den man bei Agenturen finden kann. Die allgemeine Planung und strategische Ausrichtung sollte aber Inhouse passieren. Was die Zusammenarbeit angeht, haben sich für mich dedizierte asynchrone Kanäle, wie ein gemeinsamer Slack Space, als hilfreich erwiesen. Dazu sollten die Prozesse und allgemeine ways of working vorher klar geklärt sein. Je besser die Agentur dabei in die internen Prozesse eingebunden wird, desto reibungsloser läuft die Zusammenarbeit dann auch.

 

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