Eigentlich ist der Begriff „Female Leadership“ in meinen Augen irreführend, weil Führung immer grundlegenden Prinzipien folgt, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Dennoch hatten bzw. teils auch haben es Frauen nicht immer leicht, eine Führungsrolle einzunehmen. Daher soll diese Interviewserie weibliche Führungskräfte besonders ehren und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Perspektive zum Thema Führung weiterzugeben. Darf ich also vorstellen? Mona-Sophie Euhus, Senior People & Culture Business Partner bei DEPT®. Sie wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…

 

Mona-Sophie Euhus

Mona-Sophie Euhus
Senior People & Culture Business Partner bei DEPT®

Mona-Sophie Euhus ist eine Expertin im Bereich Future Fit Leadership und strategische Organisationsentwicklung mit mehrjähriger Erfahrung in der Führungskräfteentwicklung sowie der Leitung und Durchführung multinationaler Kooperationsprojekte für globale Konzerne. Aktuell ist sie als P&C Business Partnerin bei DEPT® für das Inhouse Leadership Advisory von über 30 Führungskräften verantwortlich, gestaltet parallel das ganzheitliche Organisationskonzept für das StartUp INVENAUT und schreibt ein Buch über Business Skills.

 

1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich als Führungskraft positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?

Wenn ich nur ein einziges Buch empfehlen könnte, wäre meine Empfehlung A Theory of Cognitive Dissonance von Leon Festinger. Während dies ein recht akademisches Buch ist, hat den Einfluss und die Eigenschaften von kognitiver Dissonanz zu verstehen mein ganzes Umgehen mit der Welt positiv bereichert – im privaten und im beruflichen.

Kognitive Dissonanz ist ein psychologisches Phänomen, welches auftritt, wenn eine Person widersprüchliche Überzeugungen, Einstellungen oder Werte aufweist/mitbekommt und nicht in der Lage ist, diese in Einklang zu bringen. Etwas das täglich und häufig auftritt. Das Verständnis der kognitiven Dissonanz im Alltags- und Arbeitsleben ermöglicht eine objektivere Sichtweise auf das eigene Verhalten und das Verhalten anderer. Man erkennt eigene und fremde Denkmuster und wird sich der blinden Flecken stärker bewusst. Dies kann helfen, zugrundeliegende Probleme zu erkennen und anzugehen, die eine effektive Problemlösung oder Kommunikation verhindern. Wenn man die kognitive Dissonanz versteht, kann man Strategien entwickeln, um damit umzugehen, z.B. neue Informationen suchen, die eigenen Überzeugungen aktiv hinterfragen oder Feedback von anderen einholen. Dies kann zu einer effektiveren und kreativeren Problemlösung und zu einer klareren und objektiveren Sichtweise auf die Situation führen.

Wie man kognitive Dissonanz erkennt? Lest das Buch oder schaut doch mal bei mir auf dem Kanal vorbei. Ausführlicher – das wird hier zu lang 😉

 

2. Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben und welche Erwartungen impliziert dies auf deine Mitarbeiter:innen?

Ich folge in meinem Führungsstil primär vier Prinzipien:

  1. Impact & Innovation (vision-driven) – Wirksamkeit und Innovation
  2. Human Needs & Communication – Bedürfnisse & Kommunikation
  3. Growth Mindset & Reflection – Entwicklungsmentalität & Reflektion
  4. Integrity & Appreciation – Integrität & Anerkennung

Ich habe diese Prinzipien in den letzten Jahren ausprobiert und getestet. Bin gescheitert, habe gelernt und verfeinert. Mir war es wichtig, ein wirksames und flexibles Rahmenwerk zu schaffen, das Führungskräften (und auch mir selbst) in einer Vielzahl von organisatorischen Kontexten als Leitfaden dienen kann.

Eine Führung, die sich an diesen Prinzipien orientiert stellt die Stärken der einzelnen Teammitglieder in den Mittelpunkt, kann sich positiv auf die Teamdynamik auswirken und zeitgleich in einer vorzüglichen Wechselwirkung die Produktivität steigern.

Für die Mitarbeitenden setzen diese Prinzipien als fester Bestandteil des Teamverständnisses eine klare Erwartungshaltung im Bezug auf:

  • die Gleichbehandlung aller Teammitglieder
  • die gleichwertige Anerkennung von Bedürfnissen
  • die Umsetzung von Consent – Einverständnis in allen Interaktionen
  • die Bereitschaft an der Teilnahme an einer aktiven Fehler- und Qualitätskultur
  • die kontinuierliche Lernbereitschaft
  • das konstruktive, wertschätzende Miteinander
  • das Verständnis, dass man immer das Beste mit den aktuell persönlich & beruflich verfügbaren Ressourcen gibt und immer nach Lösungen statt nach Schuldigen sucht

Eine Führungskraft mit einer klaren Vision und einem Fokus auf Innovation kann ihr Team inspirieren und motivieren, auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten. Sie schafft ein Gefühl für den Sinn und die Richtung der Organisation. Eine Führungskraft, die auf die Bedürfnisse ihres Teams eingeht, sich aktiv für dessen Entfaltung einsetzt und ermutigt neue Herausforderungen anzunehmen, wird wahrscheinlich ein positives Arbeitsumfeld und ein hohes Maß an Mitarbeiterengagement fördern, was wiederum zu einer besseren Leistung und Produktivität führen kann.

Und während die Umsetzung dieser Prinzipien häufig einen (nicht immer leichten) Wandelprozess bedarf, kann insgesamt ein auf diesen Prinzipien basierter Führungsansatz eine Kultur des Vertrauens, des Respekts und des gemeinsamen Erfolgs schaffen, was sowohl für das Unternehmen, die Führungskraft als auch für die Mitarbeiter:innen von Vorteil ist.

 

3. Als Frau zu führen ist nicht immer leicht. Man hört immer wieder auch von Geschichten, wo sich Männer gegenüber Frauen absolut daneben benehmen. Kannst du uns etwas in deine persönliche Geschichte mit reinnehmen und beschreiben, wie du (trotzdessen) zu einer Führungskraft geworden bist? Welche Barrieren musstest du überwinden bzw. wer oder was hat dir dabei geholfen?

Ja, auch ich hatte, wie so viele weiblich präsentierende Menschen, Situationen in denen man nur den Kopf schütteln konnte. Von als Projektverantwortliche ignoriert werden und initial nur den unerfahrenen, aber männlichen Junior als Ansprechpartner wahrnehmen, zu wirklich in jeglicher Fasson unangebrachten misogynen Witzen und Verbreitung von genderstereotypen Vorurteilen. Aber natürlich auch die feineren Nuancen der gesellschaftlich etablierten Ungleichbehandlung waren häufig präsent.

Und dennoch, wenn ich wahrhaftig reflektiere, waren die Hürden für mich persönlich vergleichsweise nicht sehr hoch. Ich spreche Deutsch und Englisch (fast) muttersprachlich, bin weiß, bin Akademikerkind, hatte Eltern, die mir immer alles zugetraut haben. Auch hatte ich immer eine gesunde Prise Träumer und Glauben an das Gute in der Welt. In Kombination mit den oben genannten Führungs-Prinzipien, unbändigem Wissensdurst, einer vollbepackten Wissensdatenbank von Sozialwissenschaften und Diplomatie sowie dem Glück von hervorragenden Mentoren, habe ich mir meinen Glauben an die Möglichkeit einer besseren Welt und in meine Fähigkeiten einfach nicht nehmen lassen.

 

4. Seit ein paar Jahren wird verstärkt über das Thema „Frauenquote“ in Führungspositionen diskutiert. Wie stehst du zu diesem Thema? Hilft unserer Gesellschaft die Einführung einer Einstellungsquote oder siehst du die Gefahr, dass sich weibliche Führungskräfte damit eher wie „Quotenfrauen“ fühlen?

Eine festgelegte Quote für Frauen in Führungspositionen in einer Organisation hat sowohl Vorteile (z.B. Vorbildprinzip) als auch Nachteile (wie auch Tokenismus). Ich denke, die übergreifende Frage ist nicht die nach dem Verhältnis von Frauen und Männern an sich, sondern vielmehr die nach der Wichtigkeit einer größeren Diversität in all ihren Facetten.

Ich bin keine absolute Expertin auf dem Gebiet, denke aber Unternehmen sollten mit Priorität Maßnahmen ergreifen, um Diversität und Inklusion gesamtheitlich und langfristig wirksam zu fördern, z.B.:

  • Schaffung einer vielfältigen und inklusiven Kultur: Durch eine klare Kommunikation und die Stärkung der Werte und Ziele des Unternehmens können Organisationen eine Kultur schaffen, die Vielfalt und Integration schätzt und respektiert.
  • Entwicklung einer umfassenden Strategie für Diversität: Entwickeln einer umfassenden Strategie, die spezifische Ziele und Vorgaben enthält und darlegt, wie die Organisation die Fortschritte messen und darüber berichten wird.
  • Recruiting und Retention: Organisationen können aktiv eine Vielzahl von Bewerbern anwerben und eine diverse Belegschaft an sich binden, indem sie Strategien für die Anwerbung und Bindung von Mitarbeiter:innen entwickeln und umsetzen, die ganz bewusst inklusiv sind.
  • Ausbildung und Entwicklung: Unternehmen können Schulungs- und Entwicklungsmöglichkeiten anbieten, die das Wachstum und die Förderung von Mitarbeiter:innen mit unterschiedlichen Hintergründen unterstützen, einschließlich Programmen zur Entwicklung von Führungskräften, Mentoring und Coaching.
  • Flexible Arbeitsregelungen: Unternehmen können flexible Arbeitsregelungen anbieten, wie Teilzeitarbeit, Telearbeit, Remotearbeit und flexible Arbeitszeiten, um Mitarbeiter:innen mit unterschiedlichen Bedürfnissen zu unterstützen und ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen.
  • Messung und Berichterstattung: Unternehmen können die Initiativen zur Förderung von Vielfalt messen und über ihre Fortschritte Bericht erstatten und die Daten nutzen, um fundierte Entscheidungen zu treffen und die Initiativen zu verbessern.
  • Förderung des Engagements der Mitarbeiter:innen: Unternehmen können ihren Mitarbeiter:innen die Möglichkeit geben, ihre Sichtweisen, Ideen und ihr Feedback zu den Bemühungen um Vielfalt und Inklusion mitzuteilen, und sie können aktiv auf ihre Vorschläge hören und darauf reagieren.
  • Die Führungskräfte in die Verantwortung nehmen: Unternehmen können ihre Führungskräfte für die Förderung von Vielfalt, Fairness und Inklusion in die Pflicht nehmen, indem sie klare Erwartungen formulieren und sie für die Erfüllung der Ziele für Vielfalt und Inklusion verantwortlich machen.

Und trotz all dieser Maßnahmen müssen wir uns, denke ich, darüber im Klaren sein, dass Diversity, Fairness und Inklusion komplexe und vielschichtige Themen sind, die kontinuierliche Anstrengungen, Engagement und Anpassungen erfordern.

Eine Expertin hierfür ist z.B. Nathalie Marie Pérez Sievers. Wenn euch die Themen Diversity, Equity & Inclusion interessieren, empfehle ich ihr auf LinkedIn zu folgen.

 

5. Was möchtest du weiblichen Young Potentials gern als Rat mitgeben, die sich für eine Führungsposition interessieren?

Mein Rat an junge weibliche Expertinnen, und eigentlich jeden Menschen auf dem Weg zur Führungsposition:

  • Bleib deinen Leidenschaften & deinem Wesen treu.
  • Lebe Growth Mindset. Lerne so viel du kannst. Lehre so viel du kannst.
  • Verfolge deine Ziele und Bestrebungen mit Authentizität und Integrität, schaffe Vertrauen und Glaubwürdigkeit.
  • Sei nicht zu hart mit dir, wenn die Dinge nicht wie geplant laufen.
  • Feier und unterstützte Menschen in ihren Erfolgen ohne Ego und mache ihnen Mut – tue dies auch für dich selbst.
  • Und ganz wichtig: Spreche deine Wünsche & Bedürfnisse aus. Frage nachdem was du willst. Finde Lösungen.

Wir alle müssen eine Rolle bei der Schaffung einer inklusiveren und gerechteren Gesellschaft spielen. Indem wir uns gegenseitig unterstützen, können wir dazu beitragen, Barrieren zu beseitigen und Chancen für den gleichberechtigten Erfolg aller Menschen zu schaffen.

 

6. Was können hingegen männliche Führungskräfte oder auch gleichgestellte Kollegen tun, um Frauen dabei zu helfen, ihr Potenzial zu entfalten und zu kompetenten Führungskräften zu werden?

Studien haben gezeigt, dass Frauen in vielen akademischen Bereichen häufig deutlich besser abschneiden als ihre männlichen Kommilitonen. Trotz ihrer Fähigkeiten stoßen Frauen jedoch häufig auf Hindernisse beim beruflichen Aufstieg und sind in Führungspositionen unterrepräsentiert. Dies liegt jedoch zumeist nicht an mangelnden Fähigkeiten oder fehlendem Ehrgeiz, sondern an einer Vielzahl struktureller und gesellschaftlicher Faktoren.

Es gibt mehrere Maßnahmen, die männliche Kollegen ergreifen können, um die faire Behandlung und das berufliche Vorankommen ihrer weiblichen (und anderweitig intersektionell benachteiligten) Kollegen zu unterstützen und gleichzeitig ein sehr wertschätzendes und konstruktives Miteinander allgemein zu fördern:

  • Sich der eigenen Vorurteile bewusst sein: Man sollte sich seinen eigenen Vorurteile bewusst sein und aktiv daran arbeiten, diese zu überwinden. Dazu gehört auch, zu erkennen, wenn man unbewusst die Beiträge der Kollegen abwertet oder ihnen nicht die gleichen Möglichkeiten bietet wie männlichen Kollegen.
  • Sich gegen Sexismus und Diskriminierung aussprechen: Insbesondere männliche Kollegen sollten hier unangemessene Sprache oder unangemessenes Verhalten anprangern und sich für eine faire Behandlung und Chancengleichheit einsetzen, wenn sie Zeuge von Sexismus oder Diskriminierung werden, unabhängig davon, um wen es sich handelt.
  • Ein Verbündeter sein: Seid Verbündete. Unterstütz aktiv und setzt euch für die Weiterentwicklung von benachteiligten Gruppen ein, Z.B. als Mentor. Fördert ihre Ideen und Beiträge.
  • Zuhören und lernen: Hört benachteiligten Gruppen und Personen zu. Informiert euch über ihre Erfahrungen und Perspektiven. Dies kann dazu beitragen, Verständnis und Empathie zu entwickeln, und kann zu integrativeren und gerechteren Praktiken innerhalb der Organisation führen.
  • Die eigenen Privilegien überprüfen: Seid euch darüber im Klaren, wie sich eure Privilegien auf Interaktionen auswirken können. Versucht ggf. Raum zu geben, nicht zu unterbrechen oder zu überreden oder davon auszugehen, dass die eigenen Ideen wertvoller sind.

Bestimmt gibt es auch noch ganz viele andere Dinge. Aber allein das Bewusstsein um die Herausforderungen von weiblichen (und anderweitig intersektionell benachteiligten) Kolleginnen und die Unterstützung von Diversity & Inclusion Maßnahmen stellen meiner Meinung nach eine gute Startbasis dar.

 

7. Seit ein paar Jahren wird versucht, über gendergerechte Sprache für mehr Gleichberechtigung zu sorgen. Gleichzeitig gibt es hierzu aber auch kritische Stimmen und möglicherweise auch einen Bogen, den man überspannen kann. Wie ist deine Position zu dem Thema und inwiefern fühlst du dich durch eine gendergerechte Kommunikation mehr angesprochen?

Solange es ein klares Ungleichgewicht bei den sozialen Konstruktionen und Verhaltensweisen gegenüber verschiedenen Gruppen in der Gesellschaft gibt, halte ich es für wichtig, sich um eine inklusivere und geschlechtsneutralere Sprache zu bemühen – auch wenn es einen herausfordernd.

Es mag vielleicht noch keine perfekte Lösung geben, aber die Verwendung geschlechtsneutralerer Begriffe, Pluralformen und anderer Satzkonstruktionen sowie der Wechsel zu einer geschlechtsneutraleren Sprache wie Englisch können dazu beitragen, ein inklusives, multikulturelles Umfeld für alle zu schaffen. Man kann aber auch einen völlig neuen Standard/Begriffe in seinem Unternehmen schaffen, wenn dem alle zustimmen.

Ich finde, es ist einfach wichtig zu bedenken, dass die Schaffung einer geschlechtsneutraleren Sprache ein fortlaufender Prozess ist und eine gemeinsame Anstrengung der Gesellschaft erfordern wird. Außerdem muss man sich darüber im Klaren sein, dass es keine Einheitslösung gibt und dass verschiedene Menschen unterschiedliche Präferenzen haben können. Entscheidend sollte daher sein, dass man sich der Problematik bewusst ist und sich bewusst darum bemüht, eine integrativere Sprache und Umgebung für alle zu schaffen.

 

Bonusfrage: Hast du noch weitere Gedanken zum Thema „Female Leadership“ oder „Leadership in Zukunft“, die du mit mir teilen magst?

Ich wünsche mir eine Zukunft in der es bei Leadership um Vielfalt und die einzigartigen Stärken und Fähigkeiten jedes und jeder Einzelnen geht, unabhängig vom Geschlecht. Lasst uns ein Führungsverständnis entwickeln, dass auf der Anerkennung und Wertschätzung der Vielfalt der Wesen und ihrer einzigartigen Führungstalente basiert.

 

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