In dieser Interviewserie stelle ich 7 Fragen an Freelancer:innen aus dem Bereich SEO und Digitales Marketing. Im Fokus stehen dabei Fragen aus den Bereichen Selbstführung, Selbstständigkeit und Unternehmertum. Hierdurch lernst du die freischaffenden Unternehmer:innen näher kennen und erhälst durch ihre Antworten einen Eindruck, worauf es beim Freelancing ankommt. Es lohnt sich also definitiv! Darf ich also vorstellen? Michael Tietz. – Er wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…
Michael Tietz
Michael Tietz beschäftigt sich seit 2008 mit professionellem Suchmaschinenmarketing. In dieser Zeit hat er sich besonders intensiv mit dem Thema technische und inhaltliche Suchmaschinenoptimierung (SEO) beschäftigt. Er hat seither als Festangestellter SEO sowohl auf Agenturseite als auch für Startups und Großkonzerne gearbeitet.
Seit 2018 entwickelt Michael als SEO-Freelancer erfolgreich Wachstumsstrategien für mittelständische Unternehmen, Konzerne und unterstützt zudem zahlreiche bekannte Digitalagenturen.
1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich für die Themen Selbstführung und Unternehmertum positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?
Ein kurzer Blick hinüber zu meinem Bücherschrank zeigt mir, dass ich tatsächlich ganze 3 Bücher zum Thema Selbstführung und Unternehmertum mein Eigen nennen kann. Diese folgen nun absteigend sortiert nach eigener 5-Sternebwertung:
The 100$ Startup von Chris Guillebeau (4/5)
Dieses Buch gab mir in der Tat einen zusätzlichen Anstoß nicht länger zu warten, sondern einfach loszulegen und den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. Genau dies macht Chris auf unterhaltsamer Weise in diesem Buch auch klar. Daher eine klare Empfehlung an jede:n angehenden Solopreneur. Das Buch war übrigens ein Geschenk, welches ich kurz vor dem Start meiner Selbständigkeit bekam. Daher an dieser Stelle: Vielen Dank Laurens!
Die 4-Stunden-Woche von Timothy Ferriss (3/5)
Dieses Buch ist sicherlich vielen bekannt und hat seine Daseinsberechtigung. Es zählt nicht umsonst zu einem der meist zitiertesten Bücher zum Thema „Mobile Lifestyle“. Ich persönlich fand es auf Reisen sehr unterhaltsam zu lesen und es hat mich persönlich animiert, einige meiner täglichen Prozesse zu überdenken und zu optimieren. Zu häufig rät Timothy jedoch Aufgaben komplett zu delegieren oder outzusourcen, daher nicht unbedingt zu empfehlen für jemanden, der versucht alles aus einer Hand anzubieten.
Selfmade von Carsten Maschmeyer (k.a. / 5)
Dieses signierte Exemplar erhielt ich vor Jahren als Geschenk auf der OMCap. Habe es allerdings nie gelesen, sorry Carsten.
2. Selbstständig zu sein bedeutet nicht nur sein eigener Chef zu sein, sondern letztlich auch sein:e erste:r und einzige:r Angestellte:r zu sein. Damit einher geht, dass man sich selber Strukturen, Routinen und Prozesse schaffen muss. Das ist Selbstdisziplin. Welche Mittel und Wege helfen dir dabei, um dich selbst zu organisieren und weise mit deinen Freiheiten umzugehen?
Ich organisiere meine täglichen Tasks über eine einfache Textdatei. Das mag den ein oder anderen Digital-Native verwundern. Wohl zu Recht, aber ich finde diese Art des Task-Managements einfach, performant, und effizient. Generell bin ich in solcher Hinsicht eher ein Minimalist. Jeden Sonntag plane ich die wöchentlichen Aufgaben nach Aufwand, Priorität und Deadline. Dabei plane ich ebenfalls stets Zeit ein, um zeitlich für private als auch geschäftliche Aktivitäten flexibel zu bleiben.
3. Im Volksmund sagt man „Selbstständig zu sein bedeutet: Selbst und ständig.“ Ob das immer so stimmt, hängt sicher von einem selbst ab. Aber eins ist klar: Selbstständigkeit verlangt Selbstachtung. Wie gelingt es dir, dass du verantwortungsvoll mit deiner Zeit und deinem Körper umgehst?
Körper und Geist wurden besonders in der Anfangsphase stark strapaziert. Man hat Ängste und Sorgen darüber nun monatlich selbst für das Einkommen verantwortlich zu sein. Krisen privater oder gesellschaftlicher Natur, aber auch schöne Dinge, wie Urlaube und Freizeit haben häufig direkten Einfluss auf das eigene Einkommen und bestärken dadurch die eigenen Zweifel. Soziale Kontakte leiden, der eigene Körper wird durch permanentes Sitzen und den häufig langen Arbeitszeiten träge. Was mir persönlich geholfen hat ist die eigene vorteilhafte Situation zu erkennen, welche mit dem Freelancer-Leben einhergeht, und zwar das zeitlich und örtlich flexible Arbeiten. Egal ob Co-Working-Space in der eigenen Stadt, oder ein mehrtägiger Trip außerhalb der Komfortzone. Der schnelle Wechsel der eigenen Arbeitsumgebung und die neuen Bekanntschaften für das eigene Netzwerk beleben nicht nur den Geist, sondern auch das Geschäft.
4. Freelancer:innen sind per se selbst ihre wichtigste Schlüsselressource und gleichzeitig auch ihr wichtigster Vertriebskanal. Damit einher geht ein nicht skalierbares Geschäftsmodell, insbesondere wenn Zeit gegen Geld verkauft wird. In der Literatur spricht man hierbei vom Owner’s Business Dilemma. Inwiefern siehst du dies für dich persönlich als ein Problem? Und welche Lösungsideen hast du, um diesem zu entkommen?
Es kommt hierbei darauf an, wie effizient die eigene Zeit verkauft wird und natürlich zu welchem Preis. Zu Beginn der Selbständigkeit mussten Aufträge her. Da wurden hin und wieder Kunden aus dem engeren Bekannten und Freundeskreis angenommen (natürlich zu günstigen Freundschaftspreisen), oder es kamen Auftraggeber, welche sich bereits nach dem ersten Gespräch als „schwierig“ erwiesen hatten, man jedoch auf diesen Auftrag angewiesen war. Hier stand die hohe aufgebrachte Zeit in keinem gesunden Verhältnis zum finanziellen Output. Letztendlich muss einem sowohl die Wichtigkeit der eigenen Leistung als auch der Wert den dieser für den Auftraggeber darstellt bewusst sein. Nach nun mehr als 4 Jahren als Freelancer kann ich den Wert meiner Leistung bestens einschätzen und entsprechend für beide Seiten gewinnbringend aushandeln. Geholfen haben mir hierbei am Anfang Gespräche und Benchmarks mit anderen Freelancer:innen und meine eigene monatliche und jährliche Umsatz- und Produktivitätsprognose, welche ich täglich je nach Auftragslage und geleisteten Stunden anpasse, um meine monatlichen Umsatzziele genauestens im Blick zu behalten.
5. Man sagt, dass eine Unternehmensvision die Voraussetzung für die Strategie und damit den langfristigen Erfolg ist. Es dreht sich dabei alles um die Frage, was man ernsthaft mit seinem Business erreichen will. Gilt dies auch für Freelancer:innen? Was ist dein langfristiges Ziel mit deiner Selbstständigkeit?
Neben meinen jährlich steigenden Umsatzzielen und dem Ausbau meines Kundenstammes habe ich es mir weiterhin zum Ziel gesetzt, meiner neugeborenen Tochter trotz der steigenden Anforderungen an mich selbst, soviel Zeit wie möglich zu schenken. Dies erfordert natürlich ein effizientes Taskmanagement samt durchdachten Tagesrhythmus, welcher TXT sei Dank bisher wunderbar funktioniert.
6. Viele sehen in der freischaffenden Beschäftigung die Chance, um wesentlich mehr Geld zu verdienen als in einer Anstellung. Doch immer wieder gibt es auch Beispiele, wo dies eben nicht gelingt. Was sind deines Erachtens die Faktoren, um als Freelancer:in erfolgreich zu sein? Wo siehst du Gefahren und Herausforderungen in der Selbstständigkeit? Und wie ist dein Weg hier gewesen?
Erfahrung ist das Wichtigste! Daher ist es essenziell, dass noch während einer Festanstellung zumindest nebenbei bereits Erfahrung gesammelt wird. Dies ist wichtig, um auszuloten wie die Auftragslage ist und wie zeitlich mit dem Auftragsvolumen persönlich umgegangen werden kann. Dadurch lässt sich zudem das generelle Risiko geringhalten. Risiken lassen sich natürlich nie vermeiden, daher sind die folgenden Gefahren und Herausforderungen immer gegenwärtig:
Schlechte Auftraggeber / Kunden
Jede:r Freelancer:in kennt sie – die Auftraggeber:innen, an die man sich ungern zurück erinnert. Nun ist man als Auftragnehmer:in in der guten Lage auch Kund:innen ablehnen zu können, jedoch zeigt sich manchmal der wahre Charakter erst nach den ersten Kennenlerngesprächen. Eine gewisse Menschenkenntnis und Erfahrung sind hierbei notwendig, um entsprechend sondieren zu können. Kostenlose Beratungsgespräche im Vorfeld sind daher Pflicht, um auf menschlicher und geschäftlicher Ebene die Erwartungshaltungen und Ziele auf Augenhöhe besprechen zu können.
Steuern / Buchführung
Eine ausführliche Steuerberatung zu Beginn und während der Selbständigkeit sind enorm wichtig, da häufig die große Steuerlast vernachlässigt wird, welche Einzelunternehmer:innen in Deutschland zu tragen haben. Besonders wenn Nachzahlungen drohen, kann die Steuerlast schnell zum finanziellen Fiasko werden. Daher sollten Steuererklärungen bestenfalls nicht zu lange hinausgezögert werden, auch wenn die Frist mit einem bzw. einer Steuerberater:in stark verlängert werden kann. Eine gute Rechnungssoftware sorgt außerdem für eine strukturierte und nachvollziehbare Buchhaltung, welche dem bzw. der eigenen Steuerberater:in zugutekommt. Das Steuerthema habe ich in der Anfangszeit eher stiefmütterlich behandelt mit eigenen Excel-Tabellen und ohne steuerliche Beratung – ein Anfängerfehler. Seitdem aus einem Kleingewerbe nach gut einem Jahr etwas Größeres wurde habe ich eingesehen, dass ein:e Steuerberater:in trotz der entstehenden jährlichen Kosten eine gute Investition ist.
Finanzielle Rücklagen
Ohne finanzielle Rücklagen sollte der Schritt in die Selbständigkeit nicht vollzogen werden. Wie bereits angesprochen ist es sinnvoll, hier in Form einer Nebentätigkeit den Fuß bereits in die Stromschnellen des Einzelunternehmertums zu stecken. Durch die Anmeldung eines Kleingewerbes ist man sogar bis zu einem gewissen Jahresumsatz von der Umsatzsteuer befreit. Als Rücklage sollten mindestens 3 volle Monatsgehälter herhalten. Ziel sollte es meiner Meinung nach sein im ersten halben Jahr ein langfristiges monatliches Nettoeinkommen von mindestens 4.000 € zu generieren, damit Einnahmen, Ausgaben und der generelle Aufwand in einem gesunden Verhältnis stehen.
7. Würdest du jemals wieder in ein Angestelltenverhältnis zurückgehen (wollen)? Warum bzw. warum nicht?
Nein, da ich mir in den letzten Jahren meiner Selbständigkeit einen soliden und ständig wachsenden Kundenstamm erarbeitet habe, welcher es mir trotzdem ermöglicht, zeitlich flexibel zu bleiben, um für meine Familie und Freund:innen da zu sein. Ich bin außerdem mittlerweile in der glücklichen Situation mir meine Auftraggeber aussuchen zu dürfen, wofür ich sehr dankbar bin. Die mir durch Auftraggeber entgegengebrachte Dankbarkeit und Anerkennung meiner Arbeit und Leistung motiviert mich stets aufs Neue und ist etwas, das häufig leider in einem Angestelltenverhältnis zu kurz kommt oder meist als selbstverständlich angesehen wird.