In dieser Interviewserie stelle ich 7 Fragen an Freelancer:innen aus dem Bereich SEO und Digitales Marketing. Im Fokus stehen dabei Fragen aus den Bereichen Selbstführung, Selbstständigkeit und Unternehmertum. Hierdurch lernst du die freischaffenden Unternehmer:innen näher kennen und erhälst durch ihre Antworten einen Eindruck, worauf es beim Freelancing ankommt. Es lohnt sich also definitiv! Darf ich also vorstellen? Andor Palau. – Er wird mir im Folgenden Rede und Antwort stehen…

 

Andor Palau

Andor Palau

Andor Palau ist ein international tätiger SEO-Consultant mit mehr als 12 Jahren Erfahrung im Bereich Organic Search. Er war mehrere Jahre Inhouse SEO bei TopTarif und sechs Jahre lang der Head of SEO bei der Peak Ace AG. Seit August 2020 ist er als selbstständiger Berater aktiv. Mit seiner langjährigen Erfahrung im Online-Marketing liegt seine Kernkompetenz im strategischen und technischen SEO sowie der Teamweiterentwicklung für E-Commerce-Plattformen, Publisher und Marktplätze gleichermaßen. Andor hilft Unternehmen, die den Wert der Organischen Suche kennen, aber vielleicht aus strategischen oder infrastrukturellen Gründen ein Problem damit haben, ihr Potential auszuschöpfen und bringt diese wieder zurück in die Wachstumsspur. Andor ist Majestic-Ambassador für Deutschland und seit 2020 Oncrawl Ambassador. Er hat auf Semrush seinen eigenen Podcast „Serios SEO“ und ist seit 2022 auch als Juror tätig, u.a. bei den European Search Awards, US Search Awards oder dem European eCommerce Search Awards.

 

1. Welches Buch, Blog oder Podcast hat dich für die Themen Selbstführung und Unternehmertum positiv geprägt und würdest du weiterempfehlen?

Im Laufe der Jahre kommt da offen gesagt einiges zusammen, da ich im Schnitt 30-50 Bücher im Jahr lese und/oder höre. Wenn ich aus einem Buch nur einen Gedanken mitnehmen kann, dann hat sich das gelohnt. Natürlich stehen bestimmte Bücher auch für bestimmte Punkte, an denen man sich selbst befindet. Wenn ich jetzt mal klassisch drei auswählen müsste, wären das wohl…

Hinsichtlich Unternehmerpersönlichkeiten höre ich auch gerne hin, was die Köpfe von großen Familien-Unternehmen erzählen, ob nun Wolfgang Grupp, Reinhold Würth oder andere. Ebenso sind Bücher über Unternehmerpersönlichkeiten sicherlich auch immer spannend, ob nun über/von Howard Schultz, Philip Knight oder Sam Walton. Man sollte sich aber immer bewusst sein, in welchem Stadium man sich selbst befindet. Manche Tipps, die gerne gegeben sind, sind für einen selbst vielleicht erst in drei Jahren relevant. Man muss also lernen, Tipps und Ideen für seine jetzige Situation als relevant zu identifizieren, um den nächsten Schritt erfolgreich zu gehen.

 

2. Selbstständig zu sein bedeutet nicht nur sein eigener Chef zu sein, sondern letztlich auch sein:e erste:r und einzige:r Angestellte:r zu sein. Damit einher geht, dass man sich selber Strukturen, Routinen und Prozesse schaffen muss. Das ist Selbstdisziplin. Welche Mittel und Wege helfen dir dabei, um dich selbst zu organisieren und weise mit deinen Freiheiten umzugehen?

Mir fällt das offen gesagt nicht schwer mich selbst zu disziplinieren, weil ich klare Ziele habe und wer klare Ziele hat, kennt auch seine nächsten Schritte. Wer seine nächsten Schritte kennt, der weiß, was er machen muss und was er nicht machen sollte. Ich habe eine Entscheidung getroffen und für mich auch Standards definiert – der Rest ist die Umsetzung. Wenn ich beispielsweise das Ziel habe, 5 Kilo abzunehmen, weiß ich, dass ich nicht dreimal die Woche zu MacDonald essen gehen sollte. Wenn ich weiß, dass ich meine Ziel nur erreiche, in dem ich selbstdiszipliniert bin und zu bestimmten Dingen auch nein sagen muss, dann zahlt das ja alles auf meine Ziele ein. Und dann wird es auch schnell zur Gewohnheit und ist keine Frage der Disziplin mehr. Der Mensch braucht ca. 60 Tage, um eine neue Gewohnheit einzuschleifen, ob nun früh aufstehen oder andere tägliche Routinen. Danach ist es zumindest einfacher. Aber natürlich ist Disziplin eine enorm wichtige Eigenschaft. Ohne Selbstverpflichtung startest du nicht und ohne Disziplin kommst du nicht ans Ziel. Daher ist beides für einen erfolgreiche Selbstständigen unerlässlich. Und so organisiere ich mich auch: Mit klaren Zielen/Todos für den anstehenden Monat, die anstehende Woche, den anstehende Tag. Alles schriftlich festgehalten. Immer mit etwas Puffer für kurzfristige Änderungen, aber der Rahmen ist klar. Das schafft dann auch Freiräume.

 

3. Im Volksmund sagt man „Selbstständig zu sein bedeutet: Selbst und ständig.“ Ob das immer so stimmt, hängt sicher von einem selbst ab. Aber eins ist klar: Selbstständigkeit verlangt Selbstachtung. Wie gelingt es dir, dass du verantwortungsvoll mit deiner Zeit und deinem Körper umgehst?

Auch das ist durch das oben gesagte im Grunde schon ein Stück weit beantwortet. Ich glaube erstens sehr fest daran, dass die meisten kein Zeitproblem, sondern ein Priorisierungsproblem haben. Wir leben in einer Ablenkungsgesellschaft. Vielen fällt es schon schwer mal 10 Minuten nicht aufs Handy zu schauen. Wer keine Zeit für Sport findet, aber dreimal die Woche Netflix schauen kann, hat kein Zeitproblem. Hast du mal auf deine Bildschirmzeit auf deinem Handy geschaut? Manche verbringen 2-3 Stunden oder mehr am Tag nur mir „rumdaddeln“. Ich für meinen Teil plane meine Zeit bis zu einem gewissen Grad eben voraus. Ich weiß dann was ich wann mache, denke nicht ständig, „eigentlich müsstest du“, weil ich weiß, dass ich dafür Zeit eingeplant habe, sofern es mir wichtig genug ist. Wenn ich beispielsweise möchte, dass ich möglichst zu einer bestimmten Zeit gut arbeiten kann und/oder gesund bleibe, dann haben ich eine Wahl für etwas und gegen etwas anderes getroffen. Das wirkt sich dann eben auf Fragestellungen aus wie „Wann gehe ich ins Bett“, „Wann schalte ich den Rechner aus“ oder „Wann nehme ich mir Zeit zum Sport oder Spazierengehen“. Dazu habe ich als Familienvater auch den Wunsch, in Kreise der Familie genügend Zeit für Gemeinsamkeiten zu haben.

 

4. Freelancer:innen sind per se selbst ihre wichtigste Schlüsselressource und gleichzeitig auch ihr wichtigster Vertriebskanal. Damit einher geht ein nicht skalierbares Geschäftsmodell, insbesondere wenn Zeit gegen Geld verkauft wird. In der Literatur spricht man hierbei vom Owner’s Business Dilemma. Inwiefern siehst du dies für dich persönlich als ein Problem? Und welche Lösungsideen hast du, um diesem zu entkommen?

Nun, die eine Möglichkeit wäre keine Zeit zu verkaufen – dann hast du dein Einkommen davon schon mal entkoppelt und orientierst dich daran, deine Leistung effizient und qualitativ gut zu erbringen. Ein Geschäft, das über Zeit wirkt, ist selten skalierbar bzw. kann eben nur mit der entsprechenden Ressource wachsen – sprich Mitarbeiter. Die andere Möglichkeit ist ein Preis zu verlangen, der am Ende dazu führ, dass du nicht in diese Spirale kommst und trotzdem davon leben kannst. Wenn du als Solopreneur ausverkauft bist, musst du dir vielleicht auch mal Gedanken über eine Preiserhöhung machen.

 

5. Man sagt, dass eine Unternehmensvision die Voraussetzung für die Strategie und damit den langfristigen Erfolg ist. Es dreht sich dabei alles um die Frage, was man ernsthaft mit seinem Business erreichen will. Gilt dies auch für Freelancer:innen? Was ist dein langfristiges Ziel mit deiner Selbstständigkeit?

Ja, das gilt meines Erachtens auch für Selbstständige. Eine Vision oder zumindest mal Ziele sind für mich unerlässlich. Und oft ist es so: Entweder du entscheidest dich beispielsweise für eine Lifestyle-Selbständigkeit, in der du einfach dein Lebensstil finanzieren möchtest, oder du wechselst vermutlich irgendwann ins Unternehmertum mit Angestellten und allem, was dazu gehört. In unserer Zeit kann sowas aber auch völlig remote stattfinden – was man nicht erst seit Tim Ferriss Buch weiß. Es gibt für mich dabei kein Richtig und kein Falsch – das muss jeder für sich selbst entscheiden. Aber natürlich arbeitet der/die Selbstständige unter bestimmten Bedingungen, die ihn auch limitieren. Ob das einen stört, muss jeder für sich selbst entscheiden – genauso was für ihn/sie Erfolg bedeutet. Mein Ziel ist es Unternehmen, die im Bereich Organic Search großes Umsatzpotential haben, aber Probleme haben und nicht Wachsen, wieder auf den richtigen Weg zu bringen und auf ein neues Level zu führen.

 

6. Viele sehen in der freischaffenden Beschäftigung die Chance, um wesentlich mehr Geld zu verdienen als in einer Anstellung. Doch immer wieder gibt es auch Beispiele, wo dies eben nicht gelingt. Was sind deines Erachtens die Faktoren, um als Freelancer:in erfolgreich zu sein? Wo siehst du Gefahren und Herausforderungen in der Selbstständigkeit? Und wie ist dein Weg hier gewesen?

Geld allein sollte nie das Motiv sein. Du kannst als Selbstständige:r mehr Geld verdienen, du kannst aber auch als Angestellte:r (sehr) viel Geld verdienen. Die Frage ist nur: Wie viel möchtest du oder brauchst du und bist du wirklich bereit für dieses „mehr“ auch den entsprechende Preis zu zahlen, was uns wieder zu den obigen Themen führt. Ob dieser „Preis“ eben in Form von mehr Arbeiten zu zahlen ist, in Form von Disziplin ist, in Form von notwendige Skills zu lernen etc. hängt von vielen Faktoren ab. Auch hier beginnt es aber mit einer Entscheidung.

Das Problem ist nur, dass viele schlichtweg nicht wissen, was da auf sie zukommt, wenn sie sich damit nicht schon etwas beschäftigt haben und daher vielleicht auch falsche Erwartungen haben. Und vor allem sollte man sich bewusst sein, dass man als Selbstständige:r oder Unternehmer:in eine Verantwortung hat, die über die eigene hinausgeht.

Wenn du lieber ab 16 Uhr mit deinen Freund:innen irgendwo rumhängst und Bier trinkst, kann das als Selbstständige:r schwer sein – zumindest, wenn du eine Dienstleistung erbringst. Als Selbstständige:r trägst du eben auch das Risiko und nicht jeder kommt damit klar.

Nicht jeder ist der Typ Selbstständige:r oder Unternehmer:in und das ist auch völlig ok. Es ist also auch eine Mindset-Frage. Mal ausgehend davon, dass es für das was du machen möchtest einen Markt gibt und dass du die Expertise hast, dieses auch anzubieten, sind es oftmals deine Gedanken, Entscheidungen und schlussendlich die Handlungen, die dafür sorgen, ob du erfolgreich wirst oder nicht. Wenn du als Selbstständige:r beispielsweise nicht verkaufen kannst, musst du das lernen. Wer glaubt, selbstständig sein zu können ohne verkaufen lernen zu müssen sollte lieber Angestellte:r bleiben.

Und die Faktoren als Selbständige:r erfolgreich zu sein, sind nicht zwingend andere als die bei einem/einer Angestellten: Übernahme der vollständigen Verantwortung für Fehler und Misserfolge, schnelle Entscheidungen treffen, konsequent und fokussiert Ziele verfolgen, aus Fehlern schnell lernen und diese durch Prozesse und Regeln abzustellen.

 

7. Würdest du jemals wieder in ein Angestelltenverhältnis zurückgehen (wollen)? Warum bzw. warum nicht?

Du kannst auch in einer eigenen Firma angestellt sein 😉 Aber um die Frage so zu beantworten, wie du sie wohl gemeint hast: Aktuell nein, und das vor allem, weil ich meine aktuellen Ziele noch nicht erreicht habe. Und da sich meine Zielliste ja auch immer erweitert, kann ich dazu keine abschließende Meinung haben. Aber noch einmal: Es gibt kein richtig oder falsch hier. Es ist völlig ok, Angestellte:r zu sein, wenn man damit glücklich ist.

 

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